ÖVP Lopatka
EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka und ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker bei der "Programm- und Plakat-Präsentation" am Montag in Wien.
APA/EVA MANHART

58 Seiten umfasst das Wahlprogramm der Volkspartei für die EU-Wahl am 9. Juni, das am Montag von ÖVP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka vorgestellt wurde. Ein betont "positives" sei es, wie Lopatka sagte, der mit einem Bekenntnis zur EU startete: "Gäbe es die Union nicht bereits, man müsste sie ins Leben rufen." Es gebe allerdings ein paar "Fehlentwicklungen", die es zu "verbessern" gelte. So erklärt sich auch eines der beiden Mottos auf den zeitgleich präsentierten Plakaten: "Europa. Aber besser."

Im ÖVP-Programm wird die EU als "wesentliche Grundlage für Frieden und Wohlstand in Österreich" bezeichnet. Wer sich für einen EU-Austritt ausspreche, setze "die Sicherheit und den Wohlstand der Österreicherinnen und Österreicher aufs Spiel". Lopatka, der sich und seine Partei am Montag als Gegenpol zur FPÖ und deren Spitzenkandidat Harald Vilimsky präsentierte, hielt bei dem Pressetermin fest: Er wolle die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung nicht "missbrauchen", sondern konkrete Lösungen präsentieren.

"Nichtlösung" bei illegaler Migration

Die Kapitel im EU-Papier behandeln zum einen den Kampf gegen Terror, Extremismus und Desinformation sowie die Verteidigung der Demokratie, auch dem Schutz jüdischen Lebens in Europa wird ein Punkt gewidmet. Aber auch Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen, für die Stärkung der Familie und den Schutz von Kindern werden genannt. Das europäische Lebensmodell und die in Europa gelebten gemeinsamen Werte gehörten ebenso verteidigt, wie die EU-Außengrenze geschützt und illegale Migration verhindert werden müsse. Daher auch der Spruch auf dem zweiten Plakat: "Europas Grenzen schützen".

Die "Nichtlösung" der illegalen Migration sei eine dieser "Fehlleistungen" in der EU, sagte Lopatka. In ihrem Wahlprogramm plädiert die ÖVP unter anderem für einen Ausbau von Partnerschaften mit Drittstaaten, um Asylverfahren und Abschiebungen in sichere Drittstaaten zu ermöglichen. Dafür müssten auch alle Herkunftsländer "neu evaluiert" werden, um "etwaige neue innerstaatliche Fluchtalternativen rasch zu erkennen und damit neue Möglichkeiten für Rückführungen zu etablieren". Anderes Beispiel: Für den Familiennachzug sollen strengere Regeln gelten. So sollen Personen, die sich bereits in Österreich aufhalten und asylberechtigt sind, zum Zeitpunkt der Beantragung einer Familienzusammenführung schon in der Lage sein, finanziell für sich und ihre Familie zu sorgen.

Terror und Extremismus

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeige, dass Sicherheit und Frieden "in Europa keine Selbstverständlichkeit sind". Das europäische Lebensmodell von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gerate weltweit unter Druck, was eine "klare Positionierung Europas und eine Verteidigung seiner gemeinsamen Werte" erfordere. Auch für eine "gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" spricht sich die ÖVP aus, zum Beispiel bei der gemeinsamen Beschaffung von Rüstungsgütern. Beim Kampf gegen Terrorismus und Extremismus müssten die Mitgliedsstaaten stärker zusammenarbeiten, beispielsweise für eine Vereinheitlichung der Standards bei der Überwachung mobiler Kommunikation oder auch hinsichtlich der Strafen für Schlepperkriminalität. Auch die Etablierung einer europaweiten Gefährderdatenbank wird erwähnt.

Bei Schlüsseltechnologien, etwa im Bereich Pharma- und Medizinprodukte oder Mikrochips, sollen Abhängigkeiten abgebaut werden. Auch die Energieversorgung soll krisensicher gemacht werden, beispielsweise durch strategische Diversifizierung von Energielieferanten oder "Energiepartnerschaften" im Bereich von erneuerbarer Energie und Wasserstoff, um von Öl und Gas wegzukommen.

"Weltmarktführer bei Verbrennungsmotor"

Andere Kapitel behandeln die Themen Wirtschaft, Innovation, Forschung und Klimaschutz. Regulierungen seien dahingehend zu überprüfen, ob sie die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit bremsen. Wo dies der Fall sei – die ÖVP nennt hier als Beispiel das "überbordende Lieferkettengesetz" und den "einseitigen European Green Deal, der zu wenig auf Wettbewerbsfähigkeit achtet" –, müssten Maßnahmen zurückgenommen oder angepasst werden. Die Wettbewerbsfähigkeit solle auch gestärkt werden, indem "Überregulierung, überbordende Rechts- und Bürokratievorschriften" vermieden und Barrieren am Binnenmarkt abgebaut werden.

Forschungsmittel sollen "deutlich" erhöht, der internationale Patentschutz gestärkt und das Wettbewerbsrecht reformiert werden. Europa solle "zukunftsfit" werden, indem es sich gegen ein Ende von Verbrennungsmotoren stelle und sich viel mehr aktiv dafür einsetze, dass "Europas Autoindustrie zum Weltmarktführer bei Verbrennungsmotoren wird".

"Klimaschutz mit Hausverstand"

Die ÖVP setzt zudem auf eine sichere Lebensmittelversorgung, eine Stärkung des ländlichen Raums und der Land- und Forstwirtschaft, auf "spürbare Bürgernähe" und "gelebte Subsidiarität", also auf mehr Europa in großen Fragen und mehr nationale Verantwortung in kleineren Angelegenheiten – etwa dort, wo "Herausforderungen besser auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene gelöst werden". Als ein Beispiel dafür, wo mehr Europa und mehr Binnenmarkt gebraucht werde, nannte Lopatka das Eisenbahnnetz.

In dem Abschnitt, der den Klimaschutz behandelt, findet sich der von Kanzler Karl Nehammer gerne benutzte Begriff "Klimaschutz mit Hausverstand". Das Wort "Hausverstand" findet sich gleich mehrmals im Text. Europa müsse auf "die Innovationskraft unserer Wirtschaft, auf Technologieoffenheit setzen". Eine "zukunftsfähige Verkehrspolitik" müsse die Bedürfnisse sowohl urbaner als auch ländlicher Gebiete berücksichtigen. Daher müsse die Erreichbarkeit von ländlichen Gebieten verbessert, die Bahninfrastruktur verstärkt, Investitionen in umweltfreundliche und effiziente Bahnverbindungen gesetzt werden.

"Autoland Österreich"

Aber: "Österreich ist ein Autoland – und das Auto wird auch weiterhin primäres Fortbewegungsmittel sein, um den Alltag der Bevölkerung in ländlichen Gebieten mobil und effizient zu gestalten." Daher ist in dem EU-Papier vom Ausbau der Straßen und von den "Autos der Zukunft" die Rede: Gefördert werden sollen "grüne Verbrenner". Es brauche "Technologieoffenheit auf allen Ebenen statt Rückschritt durch Verbote". Auf Nachfrage brachte Lopatka am Montag die Beispiele Wasserstoff und E-Fuels, also synthetisch hergestellte Kraftstoffe.

Europa solle "führender Hersteller von Klimaschutztechnologien der Zukunft werden" und damit Vorbild dafür, wie "Dekarbonisierung ohne Verlust der industriellen Basis und von Wohlstand gestaltet werden" könne. Klimaschutz sei "eine globale Herausforderung, die sich auch nur gemeinsam bewältigen lässt". Und weiter: "Klimaschutz braucht auch auf europäischer Ebene mehr Hausverstand." (giu, 29.4.2024)