Das Geschäft liegt in der Wiener Landskrongasse im ersten Bezirk. Es ist eine von 16 Filialen des Unternehmens, wobei die anderen 15 in Deutschland beheimatet sind. Der Laden misst gut 100 Quadratmeter, auf denen sich Anzüge, Hemden, Krawatten, Kragen- und Stoffmuster und Schuhe finden. Fein säuberlich aufgereiht.

Ein Kunde wird gerade von einer Angestellten in Sachen Hochzeitsanzug beraten, er scheint ein wenig aufgeregt. Gut aufgeregt. Zu einem Team von fünf Leuten, die hier arbeiten, gehört auch Thomas Fuchs. In der Branche ist er seit über 30 Jahren tätig, seit zwölf Jahren berät und verkauft er bei Kuhn.

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Thomas Fuchs in seinem Element zwischen Anzügen, Stoffmustern, Krawatten und Schuhen.
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STANDARD: Sagen wir, ich möchte einen Anzug für den Alltag kaufen, weder für eine Hochzeit, noch bin ich Anwalt oder Banker. Wie gehen wir vor?

Fuchs: Primär geht es um die Farbe, dann um das Modell. Wollen Sie eher ein klassisches hochgeschlossenes, wie sieht es mit den Taschen aus, den Seitenschlitzen, wie viele Knöpfe soll das Sakko haben? Dann gibt es freilich verschiedene Schnitte von eher konservativ bis sportlich. Beim Anzugkauf ist durchaus einiges zu bedenken. Vielleicht bevorzugen Sie ja auch ein eher nostalgisches Modell à la 30er-Jahre samt Nadelstreif.

STANDARD: Welche sind die gängigsten Varianten?

Fuchs: Im Moment sind Einreiher mit Zweiknopf sehr gefragt. Die Doppelreiher ziehen allmählich auch wieder an, den sollten Sie allerdings immer geschlossen tragen.

Knopffrage

STANDARD: Also da ist sie schon, die Knopffrage. Welcher gehört denn nun zugeknöpft?

Fuchs: In dieser Frage kommt es drauf an, um wie viele Knöpfe es sich handelt. Prinzipiell bleibt der unterste Knopf immer offen. Auch bei der Weste. Manche Herren sind etwas übermütig und machen alle zu. Auch Damen raten Herren mitunter dazu. Bitte nicht, außer bei einer Uniform. Bei einem Dreiknopf-Sakko kann man eventuell auch nur den mittleren geschlossen tragen.

STANDARD: Inwieweit unterliegen Anzüge Trends?

Fuchs: Die Trends werden vor allem von den Firmen und Designern vorgegeben. Im Grunde genommen ändert sich aber nicht allzu viel. Was sich ändert, sind Reversbreiten oder Farben. Grün zum Beispiel ist momentan gefragt. Blau läuft immer. Grau ist ein klassischer Business-Anzug, Schwarz kommt in Sachen Kombinationsfähigkeit ein bisschen hart rüber. 50 Prozent der Kundschaft bleiben in der Regel ihrem Stil treu, die wollen gar nichts anderes, die andere Hälfte möchte durchaus gern mal etwas ausprobieren.

STANDARD: Wie hat sich denn das Image von Anzügen verändert?

Fuchs: Ich glaube schon, dass der Anzug noch immer ein Stück weit mit Status zu tun hat, wobei die Kurve schon etwas abgeflacht ist. Es gibt Herrschaften, die ziehen sich einfach gern schön an, andere benötigen den Anzug beruflich. Apropos beruflich: Der Begriff des Casual Friday hat sich seit der Pandemie verabschiedet, mittlerweile hat sich das Casual teilweise auf die ganze Woche ausgedehnt. Aber sagen wir es so, der Sager "Kleider machen Leute" hat durchaus noch Gültigkeit.

STANDARD: Auch im Theater oder der Oper kleiden sich die Leute immer mehr casual.

Fuchs: Ja, und das ist eigentlich schade, denn so ein Abend im Theater hat ja auch mit einer gewissen Wertschätzung zu tun.

Krawattenfrage

STANDARD: Wie sieht es mit der Krawatte aus? Wie steht es um ihr Image?

Fuchs: Es wird immer weniger Krawatte getragen, fast gar nicht mehr. Leider.

STANDARD: Wieso leider?

Fuchs: Die Krawatte ist eines der wenigen Dinge, mit der ich ein bisschen Schmuck in den Style bringen kann, Akzente setzen. Das gilt auch fürs Einstecktuch. Oder das Innenfutter, wobei das kaum sichtbar ist.

STANDARD: Hosenträger oder Gürtel?

Fuchs: Lassen Sie es mich folgendermaßen formulieren: Hosenträger, wenn die Hose nicht dort sitzt, wo sie sitzen soll, also aus figurtechnischen Gründen. Oder als Akzent. Das ist auch möglich.

STANDARD: Bereits seit längerem werden Sneakers zum Anzug getragen. Was halten Sie davon?

Fuchs: Da komm ich überhaupt nicht mit. Von mir aus zu einer Chino. Zu einem klassischen Anzug, auch wenn er etwas moderner geschnitten ist, gehört ein schöner Schuh.

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Fuchs trägt natürlich Krawatte, der Fachmann findet es schade, dass mehr und mehr auf dieses Accessoire verzichtet wird.
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STANDARD: Ist ein T-Shirt unterm Anzug okay?

Fuchs: Find ich nicht so okay. Ein schönes Hemd macht einfach mehr her. Bei einem Sportsakko ist das etwas anderes.

STANDARD: Weiße Socken?

Fuchs: Ein No-Go. Manche tragen gern farbige Socken. Das ist nicht meins, aber wenn man einen Akzent setzen möchte, warum keine roten Socken? Aber bitte Strümpfe, die über die Wade reichen.

STANDARD: Wie viele Anzüge sollte man im Schrank haben?

Fuchs: Nun, da gibt es nach oben hin keine Grenzen. Wenn es nach mir geht, einen blauen, einen anthrazitfarbenen und vielleicht einen grauen Anzug. Darauf kann man aufbauen, zum Beispiel mit Beige für den Sommer oder Braun für den Herbst.

STANDARD: Tragen Sie auch privat Anzüge?

Fuchs: Ja. Nicht immer, wenn ich auf den Berg gehe, natürlich nicht. Aber wenn ich in der Stadt unterwegs bin, ziehe ich mich schon gerne schön an. Es macht mir einfach Freude, wenngleich man mittlerweile mehr heraussticht als früher.

Taschenfrage

STANDARD: Warum sind eigentlich die Taschen von Sakkos zugenäht?

Fuchs: Es geht dabei um fertigungstechnische Gründe und um den Transport, also darum, mit den Taschen nirgendwo einzufädeln. Viele lassen die Taschen geschlossen, damit nichts ausbeult. Aber seien wir uns ehrlich, irgendwo muss man seine Utensilien ja einstecken. Wir Herren tragen meistens kein Handtascherl.

STANDARD: Was bedeutet eigentlich Maßkonfektion?

Fuchs: Dass es bei uns nichts von der Stange gibt. Im Gegensatz zum Maßschneider sind bei uns jedoch gewisse Produktionsschritte industrialisiert. Wir gehen von Konfektionsgrößen als Basis aus und arbeiten uns dann in Sachen Form, Taschen etc. weiter. Fertiggenäht wird auch bei uns von Hand.

STANDARD: Wie lange warte ich auf einen Anzug bei Ihnen?

Fuchs: Circa vier bis sechs Wochen.

STANDARD: Und wie viel berappe ich dafür?

Fuchs: Wir liegen grob gesagt zwischen 500 und 1200 Euro. Es gibt natürlich auch Sonderwünsche.

STANDARD: Welche Kundschaft ist denn die heikelste?

Fuchs: Das kann man so nicht sagen. Es kommt auf die Ansprüche an. Manche kann man einfach nicht erfüllen.

STANDARD: Zum Beispiel?

Fuchs: Nun, ich kann nicht hergehen und sagen, ich möchte einen Anzug ohne Faltenwürfe. Es gibt einfach Bewegungsfalten. In dem Fall rate ich spaßeshalber eher zu "Bodypainting", und selbst dort geht es vielleicht nicht ohne Falten. Mein Job verlangt durchaus ein gewisses Fingerspitzengefühl. Die Beratung sollte einem Freude bereiten. Mir tut es das.

STANDARD: Kuhn hat 15 Filialen in Deutschland und eine in Wien. Kauft die deutsche Kundschaft anders ein?

Fuchs: Ja. Ich hab oft das Gefühl, dass in Wien noch immer eher zum Klassischen gegriffen wird, auch wenn ich das nicht generell über einen Kamm scheren möchte. Der Deutsche kauft außerdem etwas straighter ein, der Wiener gustiert mehr. (Michael Hausenblas, 19.5.2024)