Karl: "Es brennen nicht alle Unis. Probleme haben wir in den Massenfächern und beim Bolognamodell."

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Standard: Die Uni "brennt" noch immer. Trotz des geräumten Audimax protestieren Studierende noch immer. Wie werden Sie löschen?

Karl: Da gibt es nicht die eine vorgefertigte Lösung. Die Probleme sind vielfältig, daher müssen auch die Lösungen vielfältig sein. Und: Es brennen nicht alle Unis. Probleme haben wir insbesondere bei den Massenfächern. Dort müssen wir primär ansetzen.

Standard: Was steht ganz oben auf der "Problempyramide" der Unis?

Karl: Ein Problem ist die Umsetzung des Bologna-Modells. Ich bin grundsätzlich eine Befürworterin der Bologna-Philosophie, aber wir haben Umsetzungsschwierigkeiten. Das muss man klar sagen. Teilweise wurde ein achtsemestriges Diplomstudium in sechs Semester hineingequetscht. Dass die Studierenden dann stöhnen und dass sie das unter Druck setzt, verstehe ich. Das war aber auch nicht Sinn der Sache. Angedacht war, dass man über neue Studienpläne nachdenkt und solche entwickelt. Das ist aber nur teilweise passiert.

Standard: Von der ÖH gibt es eine Einladung in das Audimax, in das symbolische Herz der Studentenproteste. Werden Sie hingehen?

Karl: Ich muss gestehen, ich war noch nie im Audimax, weil ich in Graz studiert und gelehrt habe. Es wäre wirklich mein erster Audimax-Besuch. Wir werden sehen. Ich werde natürlich das Gespräch mit den Studierenden suchen, weil sie wichtige Akteure an der Universität sind.

Standard: Sie werden als Ministerin 21 Rektoren gegenüberstehen. Welche Erfahrung haben Sie als Frau an der Universität gemacht?

Karl: Die "klassische" Erfahrung: Als ich studiert habe, waren wir noch viele Frauen, als ich Assistentin war, waren wir auch noch viele Frauen - und dann war ich in Österreich die zweite Frau, die sich im Bereich Arbeits- und Sozialrecht habilitiert hat, also in Wahrheit in einer Männerdomäne. Da ist noch viel zu tun. Wir müssen schauen, dass nicht nur viele weibliche Studierende da sind, sondern dass wir auch viele weibliche Professoren haben.

Standard: Welche frauenfördernden Maßnahmen könnten Sie sich vorstellen?

Karl: Mein großes Glück war ein Apart-Stipendium der Akademie der Wissenschaften. Das ist großartig und läuft drei Jahre, die ich am Max-Planck-Institut in München verbracht habe. Ich bin überzeugt davon, dass ich innerhalb dieser Zeit meine Habilitation nicht fertiggestellt hätte, wenn ich die drei Jahre an der Uni geblieben wäre.

Wenn man Frauenkarrieren fördern will, muss man Frauen die Zeit geben, die nötigen wissenschaftlichen Leistungen wie das Doktorat oder die Habilitation zu erbringen. Die Frauen an der Uni müssen "freigeschaufelt" werden von anderen Tätigkeiten. Wir erleben sehr häufig, dass Frauen im wissenschaftlichen Bereich dafür eingesetzt werden, dass sie am Institut quasi administrative Tätigkeiten wahrnehmen.

Standard: Wenn Sie könnten, wie Sie wollten, was würden Sie als Wissenschaftsministerin im Alleingang umsetzen - die Studiengebühren wiedereinführen?

Karl: Das wäre ein Punkt. Noch wichtiger erscheinen mir sinnvolle Zugangsregelungen.

Standard: Für alle Fächer?

Karl: Primär für die überlaufenen.

Standard: Was kommt nach der Quote für Medizin-Studienplätze, wenn die von der EU eingeräumte Gnadenfrist dafür 2012 endet?

Karl: Die optimale Lösung wäre eine rechtliche Verankerung im Primärrecht der EU. Dann hätten wir Rechtssicherheit.

Standard: Einige Juristen plädieren für das alte Herkunftslandprinzip. Wer zu Hause einen Studienplatz hätte, könnte auch in Österreich einen Platz ergattern.

Karl: Das ist auch eine Möglichkeit. Wir müssen uns ja auch neben Medizin die Frage stellen, wie gehen wir weiter um mit dem Zuzug aus Deutschland, insbesondere in den Numerus-clausus-Fächern? Für mich ist der Ansatz: entweder eine primärrechtliche Lösung oder generell die Rückkehr zum Herkunftslandprinzip. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2010)