Das Krankenhaus Nord noch als Baustelle: Ex-KAV-Generaldirektor Wilhelm Marhold war bereits in der Untersuchungskommission zu Gast, Sonja Wehsely – zwischen 2007 und 2017 Gesundheitsstadträtin – folgt am Dienstag. Und auch der ehemalige Bürgermeister Michael Häupl soll noch in der Kommission aussagen.

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Für viele ist es ein Showdown, der am Dienstag im Wiener Rathaus über die Bühne gehen wird: Die ehemalige SPÖ-Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja Wehsely, tritt erstmals in der Untersuchungskommission zum Bau des Krankenhauses Nord auf und kann selbst Stellung nehmen. Oft genug war in der Kommission, die die politische Verantwortung für Mehrkosten und Verspätungen klären soll, schon die Rede von ihr. Als Stadträtin war Wehsely von Anfang 2007 bis Anfang 2017, als sie zurücktrat, für den Krankenanstaltenverbund (KAV) und somit für den Spitalsbau mitverantwortlich.

Da liegt für viele der Schluss nahe: Wer ist verantwortlich, wenn nicht sie? Für weitere Beobachter wirft der Fall hingegen die Frage auf, für wie viele Fehler anderer Personen Politiker die Verantwortung übernehmen müssen. Wehsely hat – auf Grundlage eines Gutachtens – abgesegnet, dass der KAV nach Ende der Verhandlungen mit dem Konsortium aus Porr, Siemens und Vamed selbst als Bauherr auftritt und Leistungen als einzelne Gewerke ausschreibt: eine Strategie, für die das Unternehmen letztlich nicht gut genug aufgestellt war, obwohl der Gutachter auf das Schnittstellenrisiko hingewiesen hatte – allerdings auch, weil beauftragte Konsulenten schlecht arbeiteten.

So wurden etwa Leistungen vom Architekten, der als Teilgeneralplaner agierte, nur auf Basis einer Entwurfsplanung ausgeschrieben. Mehrkostenforderungen der Firmen waren also vorprogrammiert.

Das hat bereits der Rechnungshof kritisiert. Was aber konnte die Kommission bis jetzt aufzeigen? Auf jeden Fall traten Widersprüche zutage, und manche Fragen blieben nach wie vor offen.

  • Wettbewerb oder Deal?

Dazu ein Rückblick in die Startphase des Projekts: Die Frage, warum sich der KAV beziehungsweise die Stadt für das ÖBB-Grundstück in der Brünner Straße und damit für Verhandlungen mit Porr, Siemens und Vamed entschied, ist bislang noch in jeder Sitzung der Kommission thematisiert worden. Zuletzt durch Stephan Koller, der von 2006 bis 2008 in der Bewertungskommission war. Er sprach von einem "von langer Hand" vorbereiteten Deal ohne Wettbewerb.

Das weisen vor allem der ehemalige KAV-Generaldirektor Wilhelm Marhold und Renate Brauner – die vor Wehsely als Stadträtin für den KAV verantwortlich war und entschied, das Bauprojekt als Public-Private-Partnership anzugehen – von sich: Allein der Umstand, dass es drei Bewerber mit vier Grundstücken gegeben habe, widerspreche der These eines geschobenen Geschäfts.

Um infrage zu kommen, musste bekanntlich ein mindestens 50.000 Quadratmeter großes Grundstück in Floridsdorf mitgebracht werden. Der Stadtrechnungshof sprach in seiner Prüfung (August 2009) von einem "wettbewerbsfremden" Element, nicht aber von gänzlich fehlendem Wettbewerb. Allerdings darf das dennoch als klare Kritik an der gewählten Strategie und als Hinweis auf mögliche strafrechtliche Folgen gewertet werden.

  • Warum der Plan B?

Nur wenige Monate später erfolgte jedenfalls der Bruch mit dem Konsortium. Als Grund wurde in der Kommission mehrmals eine Empfehlung der Europäischen Investitionsbank (EIB) genannt, weil die Stadt sonst ein Darlehen in der Höhe von 300 Millionen Euro nicht bekommen hätte. "Unterlagen für die Vorgabe der EIB konnten weder Stadt Wien noch der KAV vorlegen", heißt es im Rechnungshofbericht. Dem STANDARD liegt ein Mailverkehr zwischen der Bank und dem KAV vor, wonach die EIB es zwar favorisierte, wenn die Stadt das Grundstück erwürbe und den Bau neu ausschriebe – die Möglichkeit, mit einem Konsortium zu bauen, wird aber als zweite Option erwähnt.

Der KAV hat sich den Plan B jedenfalls schon während der Verhandlungen mit dem Konsortium zurechtgelegt. Denn neben der Verfügbarkeitsberechtigung auf das Grundstück musste das Konsortium dem KAV auch eine Kaufoption garantieren.

Wieso nicht gleich von den ÖBB gekauft wurde, begründeten sowohl Brauner als auch Marhold mit der gleichen Anekdote: dass die Grundstückspreise stark anzogen, als es Spekulationen über den Standort eines neuen Austria-Stadions gab. Zu der Möglichkeit, direkt von den ÖBB zu kaufen, sagte Marhold in der Untersuchungskommission außerdem: "Was glauben Sie, wie ich hätte betteln gehen können, damit ich einen guten Preis kriege?" Der Preis, der dann im März 2010 vom KAV bezahlt wurde – der Stadtsenat stimmte dem zu –, war laut Rechnungshof mit 292 Euro pro Quadratmeter "am oberen Ende der möglichen Bandbreite", das die Prüfer bei 295 Euro sehen.

  • Wann war Verzögerung klar?

Unterschiedliche Darstellungen gibt es bei der Frage, wann klar wurde, dass der Zeit- und Kostenplan für das Projekt nicht halten werde. Marhold sagte, unter seiner Ägide (er übertrug seine Funktion Mitte Dezember 2013) sei noch alles glatt gelaufen. Ex-KAV-Generaldirektor Udo Janßen behauptet etwas anderes. Beide führen für ihre Einschätzungen Berichte und Protokolle an, die das belegen sollen.

Ein Blick in die Chronologie zeigt: 2010 wurde die externe Projektsteuerung beauftragt, 2011 gab es bereits erste Schlechtleistungen. Im April desselben Jahres wurde die örtliche Bauaufsicht beauftragt, ein Jahr darauf gab es auch hier Schlechtleistungen. Die Baumeisterarbeiten begannen im Sommer 2012, im November gab es Probleme mit der Statik. Und im Jänner 2014 sorgte die Insolvenz der Fassadenfirma in der Folge für Verzögerungen.

Wehsely wird von Neos, ÖVP und FPÖ ganz sicher auf dieses Thema angesprochen werden. Die Stadträtin habe im Vorfeld der Wien-Wahl 2015 die Öffentlichkeit bewusst nicht über Mehrkosten informiert.

  • Wie viel Geld holt sich der KAV?

Apropos Mehrkosten: Auch hier waren sich die bisher gehörten Zeugen nicht einig. Wolfgang Hesoun – nun Siemens-Generaldirektor, zum Zeitpunkt der Verhandlungen mit dem Konsortium aber Porr-Generaldirektor – sagte, das Konsortium habe "das Beste getan", um das Spital für 825 Millionen Euro zu bauen. Das wären 500 Millionen weniger, als es jetzt voraussichtlich kostet.

Wie hoch die Kosten schlussendlich ausfallen, lässt sich aber wahrscheinlich erst 2021 sagen. Dann soll das Forderungsmanagement abgeschlossen sein – und hier gibt es mehrere zig Millionen Euro zu holen. Wie viele? Die Berechnungen dazu gehen weit auseinander, mehrere Gerichtsverfahren laufen.

Im Rechnungshofbericht ist die Rede von 200 Millionen Euro. Hans Lechner, der mehrere Gutachten zum sogenannten Claim-Management für den KAV erstellte und ebenfalls als Zeuge in der Untersuchungskommission auftrat, hielt diese vom ehemaligen KAV-Direktor Thomas Balázs getätigte Aussage allerdings für "emotional", 30 Millionen seien realistischer. Dem STANDARD liegen aber Dokumente vor, die zeigen, dass Ende 2017 Lechner selbst diverse Schäden weit höher bezifferte.

Der Rechnungshof hält jedenfalls fest, dass, wenn 200 Millionen zurückgeholt werden können, die Mehrkosten in "einer in der Literatur anerkannten Bandbreite" liegen würden. (Lara Hagen, 12.11.2018)