Die ehemalige Familienminister Sophie Karmasin wurde am Mittwoch festgenommen, seit Freitag sitzt sie in Untersuchungshaft – es gilt die Unschuldsvermutung

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Zeitnah zu Sophie Karmasins Festnahme vorigen Mittwoch wurde die frühere Familienministerin (2013-2017) von einer weiteren Beschuldigten belastet. Vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestätigte die Demoskopin G. jene Vorwürfe, die die Antikorruptionsbehörde in einem neuen Ermittlungsstrang gegen Karmasin erhebt. Dabei geht es wie berichtet um "wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren"; kurz gesagt wird der einst von der ÖVP nominierten Ministerin vorgeworfen, beim Erlangen öffentlicher Aufträge kriminell agiert zu haben.

Das Muster: Karmasin soll ihre frühere Assistentin und Mitarbeiterin Sabine B. sowie G. dazu veranlasst haben, Scheinangebote für Aufträge zu legen, die preislich über ihren lagen. Nötig war das, weil öffentliche Behörden wie Ministerien Vergleichsanbote einholen müssen.

Studien für Sportressort

Wie G. laut ihrer Aussage ins Spiel kam: Sie war auf der Suche nach einem Institut, in das sie sich quasi einmieten konnte, dabei lernte sie Mitte 2018 Sabine B. kennen. Ein Jahr später habe diese sie dann gebeten, ein Scheinangebot für Sophie Karmasin abzugeben.

Sie, G., werde wohl gewusst haben, dass es um einen Auftrag der öffentlichen Hand ging. Es sei schon klar gewesen, "dass mein Angebot nicht viel besser sein sollte als das von Frau Karmasin, weil diese ja den Auftrag bekommen sollte". B., die auch selbst ein Scheinangebot abgegeben hat, habe ihr dann die Informationen zum Inhalt ihres Angebots weitergereicht.

Sie habe dann ein "Einladungsschreiben" zur Angebotslegung für die Studie "Motivanalyse Bewegung und Sport" des Sportministeriums erhalten. Tatsächlich gab sie ein Angebot ab, obwohl sie den Auftrag nicht durchführen wollte. "Ich wollte eigentlich Frau Karmasin einen Gefallen tun und habe mir dafür auch keine Gegenleistung erwartet." Den Zuschlag bekam: Karmasin. G. hat bei der Studie allerdings mitgeholfen, dasselbe sagt B. von sich.

Im Juli 2020 wurde dieses Vorgehen noch einmal strapaziert, wieder ging es um eine Studie für das Sportministerium. Die Einladung zur Angebotslegung sei ohne vorherige Ankündigung bei ihr eingelangt, sagte G. aus. Es sei ihr "natürlich klar gewesen, woher der Wind wehte". Damals habe sie schon überlegt, ob sie das überhaupt noch einmal machen sollte – auch B. sei es "eher unangenehm" gewesen. Diese habe sie "keinesfalls zu irgendetwas gezwungen". Es sei ihre eigene Entscheidung gewesen, "wohlwissend, dass das eigentlich nicht okay ist".

Vorgaben von Karmasin

Mit Karmasin habe sie nie zu diesen Angeboten kommuniziert, betonte G. – Kontakt zu ihr habe sie dann aber bezüglich ihrer Mitarbeit an den Studien gepflegt. Auch zwei privaten Auftraggebern will G. Scheinangebote vorgelegt haben. Jene hätten "Studien an Frau Karmasin vergeben wollen und aus formellen Gründen weitere Angebote benötigt", berichtete G. den Ermittlern. In beiden Fällen habe ihr Karmasin gesagt, wie ihr Angebot inhaltlich gestaltet werden soll. Danach war dann Schluss.

Als sie im Mai 2021 vom Sportministerium wieder zur Angebotslegung eingeladen wurde, sei ihr klar geworden, dass das Vorgehen Karmasins System habe. "Ich wollte damit nichts mehr zu tun haben", was sie auch Karmasin habe wissen lassen. Diese habe sie danach "keinesfalls unter Druck gesetzt". Diese Studie kam nicht zustande, da Karmasin ihr Angebot zurückzog, hieß es aus dem Sportministerium.Karmasins Anwalt, Norbert Wess, äußerte sich zuletzt nicht. Über seine Mandantin wurde am Freitag die Untersuchungshaft verhängt. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 6.3.2022)