"Ich bin auf dem Weg zu mehr Freiheit. Darauf freue ich mich."

Foto: Urban

Ursula Plassnik packt ein. Über ihren neuen Lebensplan hat sie noch nicht nachgedacht, sagt sie. Neue Ämter als Spitrzenpolitikerin, auch in Brüssel, schloss sie dezidiert nicht aus.

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"Ein aufrechtes Bündnis mit EU-Feinden plus Ursula Plassnik - mit mir nicht", sagt die nun ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik. Im STANDARD-Interview erklärt sie ihren Entschluss aus der neuen Regierung auszutreten. Außerdem spricht sie im Gespräch mit Christoph Prantner darüber, wie es ihr nach dieser Entscheidung geht, warum sie über die Schlagzeile der Kronen Zeitung lacht und welche Pläne sie für die Zukunft hat.

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Standard: Frau Bundesministerin, wie geht es Ihnen nach diesem turbulenten Sonntag?

Plassnik: Ich fühle mich noch etwas zugeschnürt. Aber gleichzeitig auch luzide, kämpferisch und unternehmungslustig. Ich bin auf dem Weg zu mehr Freiheit. Darauf freue ich mich.

Standard: Wann haben Sie sich denn genau dazu entschlossen, den Hut draufzuhauen und der neuen Bundesregierung nicht mehr anzugehören? Erst am Sonntag oder schon vorher?

Plassnik: Vorsicht mit der Ausdrucksweise, ich hab nirgendwo einen Hut und auch sonst nichts gehaut oder geworfen. Ich habe mich eingesetzt für Klarstellungen, die mir wichtig sind. Dafür habe ich gekämpft, buchstäblich bis zur letzten Sekunde. Irgendwann war dann der Punkt erreicht, an dem mir bewusst wurde, dass der von mir angebotene Ausweg aus der Fehlerfalle, in der vor allem die SPÖ gefangen ist, mit mir an Bord nicht möglich ist.

Standard: Sie haben Sonntagnachmittag kurz den Verhandlungssaal verlassen, haben Sie da ihren Entschluss gefasst?

Plassnik: Nein, das ist eine mediale Erfindung. Ich bin während der Verwaltungsreformpunkte kurz aus dem Zimmer gegangen, um zu telefonieren. Das hab ich auch meinem Parteiobmann gesagt, es hat mich also weder jemand vermisst noch jemand gesucht. Ich habe am Telefon mit meinem Staatssekretär Hans Winkler gesprochen, weil ich ihm mitteilen wollte, wie es weitergeht.

Standard: Wenn wir schon bei Gerüchten sind: Es heißt, dass Sie nicht nur wegen des Europathemas nicht mehr in der neuen Bundesregierung sitzen, sondern auch, weil Sie sich persönlich mit dem kommenden Bundeskanzler absolut nicht vertragen. Stimmt das?

Plassnik: Das ist unrichtig. Ich habe mit Werner Faymann am vergangenen Donnerstag ein erstes Gespräch über diese Thematik geführt, das hat fast anderthalb Stunden gedauert. Ich habe ihm in komprimierter Form erklärt, worum es in Sachen Europa meiner Meinung nach geht. Die Möglichkeiten eines Kompromisses (ein fünfjähriges Moratorium über Volksabstimmungen, Anm.) hat er nicht ergriffen. Schade. Aber ich wünsche ihm und der gesamten österreichischen Bundesregierung aus ganzem Herzen: erfolgreiches Regieren!

Standard: Warum war es für Sie denn unbedingt notwendig, wegen der weichen Kompromissformel im Regierungsprogramm zurückzutreten? Wäre es aus Ihrer Sicht nicht klüger gewesen, in der Regierung zu bleiben und dort eine verlässliche Europapolitik zu garantieren?

Plassnik: Genau das kann ich nicht leisten. Diesen Eindruck eines Gütesiegels auf einer Vereinbarung, die in meinen Augen keine hinreichende Basis für eine Arbeit sein kann, wollte ich einfach nicht entstehen lassen. Es ist mir aus vielen Gesprächen mit Menschen aus meinem Umfeld und auch mit Menschen von der Straße klar geworden, dass Ursula Plassnik in diesem Fall nicht nur die professionelle Funktion einer Verhandlerin oder Außenministerin hat. Wenn ich hier mit dabei gewesen wäre, hätte ich als Feigenblatt gedient, um einen offenen Dissens zu kaschieren. Ein aufrechtes Bündnis mit EU-Feinden plus Ursula Plassnik - mit mir nicht.

Standard: Die ÖVP hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stets als die Europapartei bezeichnet. Nach der Unterschrift unter den Europapassus im Koalitionspapier: Ist sie das in Ihren Augen noch?

Plassnik: Ja, viel wird davon abhängen, wie glaubwürdig sich die Volkspartei sich in den kommenden Wochen und Monaten positioniert. Die Chancen sind intakt. Vielleicht ist diese Wasserscheide auch ein Punkt, an dem die Europathematik wieder stärker ins Bewusstsein gerückt werden kann. Ein Bündnis mit den EU-Miesmachern und Schlechtschreibern ist jedenfalls kein Zukunftsweg. Wir brauchen als Österreicher die EU mehr denn je. Die Bundesregierung muss die Hände frei haben, sich der Wirtschaftskrise und deren dramatischen Auswirkungen entgegenzustellen. Daher auch mein Versuch, in einem breiteren politischen Spektrum Störpotenzial auszuschalten und der SPÖ abzuverlangen, fünf Jahre lang ihre Forderung nach EU-Referenden auf Eis zu legen. Dazu war Werner Faymann nicht bereit.

Standard: Die "Kronen Zeitung" titelt heute mit "Aus für EU-Fanatikerin Plassnik". Treffen Sie solche Schlagzeilen?

Plassnik: Darüber habe ich sehr gelacht. Dass die Krone jetzt keine Freude darüber hat, dass ihr der Lieblingsfeind abhanden kommt, kann ich mir lebhaft vorstellen.

Standard: Es war auch in der ÖVP einigen gar nicht so unrecht, dass Sie nicht mehr in der Regierung vertreten sind. Damit ließe sich der Konflikt mit der "Krone" entschärfen, hieß es. Was sagen Sie diesen Parteifreunden?

Plassnik: Sie werden jetzt erkennen, wenn Ursula Plassnik nicht mehr als Kristallisationspunkt zur Verfügung steht, dass sie diese Arbeit entweder selbst machen müssen oder Stück für Stück ihren Ruf als Europapartei verlieren werden.

Standard: Was raten Sie Ihrem Nachfolger Michael Spindelegger?

Plassnik: Ich schätze ihn sehr. Ich habe ihm volle Unterstützung angeboten und freue mich, in welcher Funktion auch immer, mit ihm zu arbeiten. Ich habe ihm auch gesagt, dass es nicht hilft, zu den Duckmäusern überzulaufen. Es hilft nur Standhaftigkeit und konsequenter Einsatz in der Sache. Das macht Glaubwürdigkeit aus. Da gibt es leider keine Abkürzungen, auch nicht durch populäre Forderungen wie der nach einer Volksabstimmung bei EU-Verträgen.

Standard: Das heißt, dass Sie der ÖVP empfehlen, mit Parlament und nicht mit Zeitungen zu regieren.

Plassnik: Das wünsche ich der ÖVP aus tiefstem Herzen. Plus möglichst viel sachkompetente mediale Unterstützung.

Standard: Was werden Sie nach Ihrem Ausscheiden machen?

Plassnik: Ich hatte noch keine Zeit, einen neuen Lebensplan zu entwerfen.

Standard: Präferenzen?

Plassnik: Der nächste Lernprozess wird sein, mich zu entschleunigen.

Standard:  Sie streben also kein politisches Spitzenamt mehr an?

Plassnik: Das habe ich damit in keiner Weise gesagt.

Standard: Interessiert Sie eine Spitzenposition in Brüssel, als Kommissarin oder EU-Außenministerin?

Plassnik: Das habe ich damit auch nicht ausgeschlossen. (Christoph Prantner, DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2008)