Die Aufgabe des Bundespräsidenten war am Dienstag rasch erledigt: Er gelobte die Regierungschefs Pröll und Faymann an.

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"Wir leben eigentlich ein stinknormales Leben" : Nicht einmal Josef Pröll fällt - wie er im Frühjahr bei einer Standard-Diskussion zugab - Spannendes zu seiner eigenen Generation ein. Dementsprechend spektakulär lässt sich die neu geschmiedete große Koalition, die von Männern in den Vierzigern geführt wird, an: keine provokanten Ansagen, keine visionären Pläne, keine intellektuellen Ergüsse. Dafür viel Pragmatismus, bieder vorgetragen und in handliche Maßnahmenpakete verpackt.

"Unideologische Flexibilität" hat Pröll am ÖVP-Parteitag am Sonntag als konservative Tugend ausgerufen. Und sein SPÖ-Pendant Werner Faymann hält ohnehin alles für verhandelbar, vom Posten des Kanzlers abgesehen. Die Kommentatoren in den Medien kategorisieren die beiden Parteichefs längst als ein und denselben Prototyp. "Josef Pröll ist eine Art Werner Faymann der ÖVP" , schrieb etwa die Presse: "Nett, umgänglich, verbindlich, darum bemüht, alle Gruppen einzubinden."

Instinktiver Zug zur Mitte

Tickt so die "Generation Regierung" ? Faymann (Jahrgang 1960) und Pröll (1968) sind eigentlich in einem Jahrzehnt geboren, das nach Aufbruch, Revolte und großen Gesten riecht. Doch als die beiden erstmals politische Luft schnupperten, war der Großteil der 68er-Rebellen längst assimiliert: Ehemalige Sektierer mutierten zu braven Sozialdemokraten oder kamen bei den "bunten Vögeln" der Wiener ÖVP unter. Den radikalen Utopien habe die nachfolgende Generation "lockeren Pragmatismus" entgegen gehalten, meint der Politologe Anton Pelinka: "Faymann und Pröll verbindet ein instinktiver Zug zur politischen Mitte. Und beide pflegen einen konsensuellen Stil."

Rebellion leisteten sich der rote Wiener und der schwarze Niederösterreicher auch in Jugendjahren nur in homöopathischen Dosen. Faymann engagierte sich zwar gegen das geplante Atomkraftwerk Zwentendorf und protestierte gegen den Papstbesuch 1983 - nie aber so scharf, als dass es seiner Karriere in der SPÖ geschadet hätte. Während Alfred Gusenbauer, sein Vorgänger im Kanzleramt, in der sozialistischen Jugend lustvoll Fraktionskämpfe ausfocht, schwang Faymann sich schon damals zum Vermittler auf.

Prölls Zwentendorf hieß Hainburg. Der Weinbauernsohn aus Radlbrunn riskierte als 16-Jähriger den "ersten Aufstand gegen das Elternhaus" , als er gegen den Bau des Wasserkraftwerkes in den Donauauen anredete. Viel Schlimmeres als böse Blicke in der Blasmusikkapelle, in der er Klarinette spielte, riskierte aber auch Pröll nicht.

Zwei Gesinnungsgenossen im Gleichschritt? Der Historiker Oliver Rathkolb warnt vor oberflächlichen Schlüssen. Er zählt Faymann und Pröll, die acht Jahre Altersdifferenz trennen, nicht zur selben Generation: "Ob Zwentendorf oder Hainburg, macht einen großen Unterschied."

Verschiedene Lebenswelten

Als "Kind der späten Kreisky-Jahre" bezeichnet Rathkolb den SPÖ-Chef. Faymann wurde gerade erwachsen, als Bruno Kreisky sich dem Kampf gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ölkrise verschrieb. Ein paar Milliarden Schilling Schulden würden ihm weniger schlaflose Nächte bereiten als ein paar hundert Arbeitslose mehr, sagte der damalige Bundeskanzler - ein sozialpolitischer Ansatz, den Rathkolb bei Faymann wieder erkennt.
Eine andere Parallele, die dem Historiker auffällt: Wie in den späten Siebzigerjahren setzt Faymann wieder stark auf die Sozialpartnerschaft. Ein Unterschied zu seinem Vorgänger Gusenbauer, den Rathkolb - obwohl die beiden Politiker gleich alt sind - in der Tradition der ersten Hälfte der Kreisky-Regentschaft einordnet: "Da war alles noch revolutionärer angelegt."

Faymann denke deshalb nicht nur in traditionelleren Strukturen als Gusenbauer, sondern auch als Pröll, glaubt der Zeitgeschichtler. Aus der Hainburg-Zeit, Geburtsstunde der Umweltbewegung, habe dieser "ein Gefühl für neu entstehende Lebenswelten" mitgebracht, meint Rathkolb - und hält es deshalb für nicht aufgesetzt, wenn Pröll als frischgebackener ÖVP-Chef verspricht, genau diese "Lebenswelten" anzusprechen.

Der Politologe Pelinka urteilt skeptischer. "Beiden ist Strategie wichtiger als die große Vision" , meint er: politisches Kalkül schlage Idealismus. Einerseits erweist sich das Pragmatiker-Duo Faymann/Pröll nicht zuletzt wegen dieses Wesenszugs als lernfähig - etwa wenn es darum geht, Zank und Hader zwischen Rot und Schwarz abzustellen. Andererseits sieht Pelinka auch die Schattenseiten. "Politiker wie Faymann und Pröll laufen Gefahr, zu kurzfristig zu denken" , sagt er: "Sie müssen erst beweisen, dass sie auch über den Tellerrand blicken können." (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2008)