Ist noch nicht gefragt worden, ob er Heinz Fischer nachfolgen will: Erwin Pröll sagt aber deutlich, dass er Orientierung geben will.

STANDARD/R. Newald

STANDARD: Auch in Ihrem Land sind Menschen besonders von der Krise betroffen:weil sie Häuser gebaut, Kredite aufgenommen haben - und jetzt nicht zurückzahlen können. 

Pröll: Zunächst einmal muss man sehen, dass Niederösterreich ein bisschen besser aufgestellt ist als der österreichische Schnitt. Wiewohl wir vor allem im Bereich der Jugendbeschäftigung Sorgen haben. Aber wir haben bereits im November begonnen gegenzusteuern - mit einem ersten Konjunkturpaket von 350 Millionen Euro. Dann haben wir im Jänner ein zweites Konjunkturpaket mit 150 Millionen verabschiedet, um Arbeitnehmerförderung zu betreiben, und einen guten Teil für ökologische Investitionen im Wohnbau bereitgestellt, was auf breitester Basis der Wirtschaft zugute kommt und ökologischen Nutzen bringt. Das dritte Konjunkturpaket haben wir gemeinsam mit dem Bund im Bereich der Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt, und das vierte Paket, das wir in der Vorwoche mit 45 bis 48 Millionen geschnürt haben, ist abgestellt für Investitionen durch die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher - wo Häuselbauer und Wohnungsbesitzer rasch in Renovierung investieren können.

STANDARD:  Das wird aber jenen nicht helfen, die schon investiert haben und fürchten, ihre Wohnung zu verlieren, weil ihre Finanzierungsmodelle nicht mehr funktionieren.

Pröll: Da ist unser Ansatz, dass wir durch Arbeitsmarktmaßnahmen dafür sorgen, dass ein Einkommen weiter gesichert ist.

STANDARD:  Selbst wenn Niederösterreich die Krise Ihren Einschätzungen zufolge gut übersteht - wie übersteht die ÖVP ihre Krise? Die ÖVPhat ja mit Ausnahme von Niederösterreich seit langem keinen Wahlsieg mehr eingefahren. Was macht die ÖVP anderswo falsch?

Pröll: Die Frage ist: Was macht die ÖVP in Niederösterreich anders? Für uns beginnt ein Wahlkampf nicht drei Wochen vor der Wahl. Wir arbeiten drei Tage nach einer Wahl so intensiv wie drei Tage vor einer Wahl. Zweitens ist unser Ansatz, dass wir rund um die Uhr mitten in der Bevölkerung sind und damit sensibel die Probleme und Erwartungen der Bevölkerung aufnehmen. Das Dritte: Wir haben aufgrund der Mehrheitsverhältnisse auch die Kraft, Trends vorzugeben. Zum Beispiel bei der Pflege, da muss man Geld in die Hand nehmen, ebenso bei der Bildung: Während in der Bundespolitik gezaudert und gezögert wurde, haben wir die Klassenschülerhöchstzahl von 25 eingeführt. Und wenn es darum geht, dass Frauen, die Ja zum Kind sagen, auch berufliche Chancen haben, dann brauchen sie einen Gratis-Kindergarten für Zweieinhalbjährige. Hier spürt die Bevölkerung, dass man in schwierigen Zeiten auf uns zählen kann. Und: Je schwieriger die Zeit, desto stärker ist auch die Sehnsucht des Einzelnen, sich an Verantwortungsträger anzulehnen und an ihnen zu orientieren. Wischiwaschi-Politiker haben in solchen Zeiten keine Chance.

STANDARD: Hat die ÖVP anderswo zu wenig auf die Menschen gehört?

Pröll: Ich bilde mir nicht ein, dass wir die Weisheit mit dem Löffel gefressen haben. Wichtig ist, eine handfeste Arbeit zu leisten, mit beiden Beinen am Boden zu bleiben und nicht abzuheben.

STANDARD: Und löst das die ÖVPauf Bundesebene ein? Löst das die derzeitige Bundesregierung ein?

Pröll: Ich habe den Eindruck, dass man bemüht ist, das Miteinander zu suchen und zu finden. Die Situation macht nötig, dass man versucht, Österreich von Schrammen freizuhalten. Die Nagelproben werden sicher noch kommen.
Standard: Eine Nagelprobe erleben wir ja gerade: Es wird massiver Druck gemacht, dass unser Bankgeheimnis aufgehoben wird. Soll Österreich dem Druck nachgeben?

Pröll: Ich glaube, dass von der Regierung und vor allem vom Finanzminister ein sehr umsichtiger Kurs gefahren wird, der von viel Augenmaß getragen ist. Es will niemand in der Republik, dass Österreich ein Land wird, wo Finanzspekulation mit dunklen Konten betrieben wird. Auf der anderen Seite ist das Bankgeheimnis für die Österreicher ein besonderer Wert: Man sollte nicht vergessen, dass Sparguthaben in der Öffentlichkeit nichts verloren haben.

STANDARD: Wie lange wird die Krise noch dauern?

Pröll: Das verlässlich zu sagen ist unmöglich. Ich hoffe: Wir haben 2009 den steilsten Weg bewältigt und können 2010 auf eine Wegstrecke kommen, die leichter bewältigbar ist. Ich bin auch deshalb zuversichtlich, weil wir Bereiche haben, wo es sogar Zuwächse gibt, etwa im Tourismus. Ich bin verhalten optimistisch.

STANDARD: 2010 ist auch das Jahr der Bundespräsidentenwahl. Da wird Erwin Pröll immer wieder als möglicher Kandidat genannt. Sind Sie schon gefragt worden?

Pröll: Es ist natürlich ehrenhaft, für ein derartiges Amt genannt zu werden. Aber ich bin von niemandem gefragt worden, und das verstehe ich auch. Denn diese Entscheidung liegt noch weit in der Zukunft. Und: Ich persönlich bin mit meiner Arbeit voll und ganz ausgelastet - und mein nächstes Ziel ist, am 28.März wieder als Landesparteiobmann gewählt zu werden.

STANDARD: Soll die ÖVP überhaupt einen Kandidaten aufstellen, falls Heinz Fischer noch einmal antritt?

Pröll: Das habe nicht ich zu entscheiden, aber bis jetzt habe ich nur Stimmen vernommen, die das bejahen. Der Bundespräsident hat anklingen lassen, dass er unschlüssig ist, welchen Weg er einschlagen wird. Aber damit muss man sich nicht jetzt auseinandersetzen. Die Republik hat mit der jetzigen Situation alle Hände voll zu tun. (Conrad Seidl/DER STANDARD-Printausgabe, 21./22. März 2009)