Wien - Bundeskanzler und SP-Chef Werner Faymann hat am Samstag beim Landesparteitag der Wiener SPÖ den Koalitionspartner ÖVP ins Visier genommen - und deren Klubchef Karlheinz Kopf gewarnt: "Jemand, der sein christlichsoziales Gewissen an der Garderobe abgegeben hat, wird uns kennenlernen." Anlass für die Kritik: Die wieder aufgeflammte Debatte um die Mindestsicherung.

Der Kanzler widmete sich in seiner Rede ausführlich der Armutsbekämpfung. Zu dieser, so betonte er, gehöre, dass man nicht zusehe, wie Kinder in Armut aufwachsen - "und gleichzeitig mit Achselzucken zu sagen, so ist sie, die Welt." Vielmehr müsse man sich mit aller Kraft dagegenstellen und die Mindestsicherung einführen und durchziehen.

Der Klubobmann der ÖVP habe nun jedoch die Mindestsicherung zu einem Tauschobjekt gemacht, ja zu "so etwas wie einen Erpressungsgegenstand", zeigte sich der Kanzler erbost: "Es ist eine Schande, die Armutsbekämpfung zu einem Tauschobjekt zu machen."

Laut Faymann leben derzeit in Europa 80 Millionen Frauen, Männer und Kinder unter der Armutsgrenze. Gleichzeitig würden die Spekulanten all dies wieder aufbauen, was vor zwei oder drei Jahren zusammengebrochen sei, mit denselben Spielregeln und zum Teil mit denselben Personen: "Weil es ist ihnen kaum jemand über das Gericht abhandengekommen."

Die Betroffenen würden wissen: "Der Steuerzahler wird's schon richten". Sie hätten die Ausrede, dass sie "to big to fail" seien. Tatsächlich würde dieses Geld aber für Bildung, Forschung oder Soziales gebraucht. Darum müsse es auch auf europäischer Ebene eine starke Sozialdemokratie geben, trotz der überwiegenden Mehrheit konservativer Regierungen: "Wir müssen dafür sorgen, dass die, die jetzt das Sagen haben, nicht auf die alten neoliberalen Konzepte setzen."

Faymann ging in seiner Rede auch auf die jüngste ÖBB-Diskussion ein. VP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka habe von ihm ein "Machtwort" verlangt, erinnerte der Kanzler - um dann klarzustellen: "Wir lassen die ÖBB in dieser Legislaturperiode nicht zerschlagen und wir lassen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht jeden Tag beschimpfen." Lopatka hatte Änderungen verlangt, unter anderem bei ÖBB-Pensionisten, die sich noch im alten Pensionssystem befinden.

Änderungen seien oft vorgenommen worden, "und es wird in jedem Ministerium immer wieder etwas zu ändern geben", so Faymann. Man vertraue aber der sozialdemokratischen Ministerin Doris Bures und nicht jenen Personen, die man unter Schwarz-Blau kennengelernt habe. (APA)