"Das Tempo der Umsetzung ist äußerst langsam" : Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka soll die Verwaltungsreform vorantreiben - und steht in manchem Bereich mit leeren Händen da.

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Standard: Vor einem Jahr haben Sie gewarnt, dass sich die Regierung der Lächerlichkeit preisgibt, wenn sie bei der Verwaltungsreform schon an kleinsten Vorhaben scheitert. Darf man jetzt lachen?

Lopatka: Es ist zu früh, Bilanz zu ziehen. Diese Regierung steht noch nicht einmal bei der Halbzeit, und die Verwaltungsreform ist ein Projekt, das sich in der Vergangenheit ergebnislos über Jahrzehnte hingezogen hat.

Standard: An diese Tradition scheint die aktuelle Koalition nahtlos anzuknüpfen.

Lopatka: Gegen die Behauptung, dass nichts weitergeht, wehre ich mich. Immerhin haben unsere Arbeitsgruppen zu den Themen Bildung, Pensionen, Förderwesen, Gesundheit, Verwaltungseffizienz, Aufgabenreform klare Vorschläge auf den Tisch gelegt. Was leider stimmt: Das Tempo der Umsetzung ist äußerst langsam. Einzelne Minister brauchen elendslang, um etwas voranzubringen.

Standard: Zum Beispiel?

Lopatka: Ich verstehe nicht, warum Bildungsministerin Claudia Schmied 20 Monate ungenutzt verstreichen ließ, ehe sie nun endlich die Verhandlungen übers Lehrerdienstrecht startet. Von 7,2 Milliarden Bildungsbudget fließen 90 Prozent ins Personal - da ist ein modernes Dienstrecht, das etwa die Lehrverpflichtung für die neuen Kräfte erhöht, ein entscheidender Schlüssel, um die Mittel richtig einzusetzen. Ein zweiter Bereich sind die Pensionen. So ist Infrastrukturministerin Doris Bures gefordert, bei den Sonderrechten in der ÖBB einzugreifen.

Standard: Sie putzen gerne Verantwortliche aus dem SPÖ-Bereich herunter. Wann beginnen Sie, vor der eigenen Tür zu kehren?

Lopatka: Ich gestehe gerne zu, dass wir im Finanzministerium auch etwas bei den Pensionen in der Nationalbank erreichen müssen. Aber es gibt keinen zweiten Bereich in der Republik, wo so viel Geld versickert wie bei den Bundesbahnen. Zu Recht hat der Rechnungshof bei den ÖBB-Pensionen ein Einsparungspotenzial in Milliardenhöhe festgestellt.

Standard: Die ÖVP bezichtigt die SPÖ oft, härtere Einschnitte bei den Pensionen zu verhindern. Nun stellte sich aber heraus, dass mit Fritz Neugebauer einer der Ihren gegen Verschärfungen bei der Hacklerfrühpension klagt.

Lopatka: Mir fehlt für Neugebauers Klage jedes Verständnis, gerade weil es innerhalb der Hacklerregelung, die ich an sich schon für ungerecht halte, noch einmal Sonderrechte für männliche Beamte gibt. Entscheidend ist aber, was jene wollen, die am Regierungstisch sitzen - und da war es die SPÖ, die keine weiteren Einschnitte wagen wollte. Ich hätte mir da mehr gewünscht.

Standard: Wird es Konsequenzen für Neugebauer geben?

Lopatka: Welche sollen das sein? Er besitzt nun einmal das Vertrauen seiner Gewerkschaft. Ich gehe aber davon aus, dass Neugebauer nach dieser Legislaturperiode nicht mehr kandidieren wird.

Standard: Laut einer Market-Umfrage halten die Leute Erwin Pröll für den größten Bremser bei der Verwaltungsreform. Gibt Ihnen das nicht zu denken?

Lopatka: Das überrascht mich deshalb nicht, weil Pröll gerade den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz führte. In einem halben Jahr wird wohl ein anderer Landeshauptmann stärker im Fokus stehen. Ich halte derartige Umfragen auch für äußerst fragwürdig. Als Reformmotor wird immer der Rechnungshof belobigt - doch der zeigt lediglich Probleme auf. Es ist verdammt einfach, als Experte Reformen zu verlangen. Und es ist verdammt schwierig, diese als Politiker umzusetzen.

Standard: Fehlt es nicht gerade in den Ländern einfach oft am Willen?

Lopatka: Es ist in der Tat symptomatisch, dass sich die Projekte zu mehr Effizienz in der Verwaltung, die im Laufe der Legislaturperiode 500 Millionen bringen sollen, zu 100 Prozent auf den Bund entfallen. Nicht gelungen sind auch Einsparungen bei den Förderungen, wo Österreich europaweit Spitze ist. Wenn der Bund in der Vergangenheit etwas gestrichen hat, haben das die Länder oft sogleich mit Sonderförderungen konterkariert. Das ist ein unbefriedigender Zustand, der zu Recht kritisiert wird.

Standard: Warum hat die Regierung die Länder beim Budget dann aus der Pflicht entlassen?

Lopatka: Die Bundesregierung kann in der Regel nichts erzwingen, weil ihr die rechtlichen Möglichkeiten fehlen. Ein Konfrontationskurs mit den Ländern wäre zum Scheitern verurteilt, weiter kommen wir nur mit Kooperation.

Standard: Wird den Ländern nun beim geplanten Stabilitätspakt etwas Konkretes abverlangt?

Lopatka: Zunächst brauchen wir Transparenz - es kann nicht immer nur der Bund sein, der seine Budgetentwicklung offenzulegen hat. Darüber hinaus müssen die Bundesländer einen Beitrag zur Sanierung des Staatshaushaltes leisten, indem sie sich auf konkrete Budgetziele verpflichten. Hält sich ein Land nicht an die Vorgaben, soll es - wie ja auch beim europäischen Stabilitätspakt - finanzielle Sanktionen geben.

Standard: Als Gesundheitsminister Stöger eine Spitalsreform vorgestellt hatte, haben Sie ihn nicht gerade ambitioniert gegen die Angriffe aus den Ländern verteidigt.

Lopatka: Was Stöger vorgeschlagen hat, halte ich für richtig. Aber ein Minister muss für sich schon stark genug sein, um Reformen umzusetzen. Die überzogene Kritik der Niederösterreicher hat sich ohnehin von selbst gerichtet.

Standard: Zum Abschluss eine Prognose, bitte: Werden wir in einem Jahr wieder ein Interview über die misslungene Verwaltungsreform führen, weil nichts Substanzielles weitergegangen ist?

Lopatka: In einigen Bereichen bin ich mir sicher, dass Entscheidendes passieren wird. Bei der Reform der Schulverwaltung sehe ich zwischen Bund und Ländern keine unüberbrückbaren Hindernisse, auch beim Stabilitätspakt und der Finanzierung der Pflege wird es Resultate geben. Bisher konnten sich viele Beteiligte in trügerischer Sicherheit darauf ausruhen, dass Österreich punkto Arbeitslosigkeit und Defizit besser liegt als andere Staaten. Doch allmählich ist dieser Bonus verbraucht. Um die Spitzenposition zu halten, müssen wir endlich etwas tun. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 10.1.2011)