Brüssel/Graz - Der Staatsanwaltschaft Graz wird die "Causa Ranner" offenbar zu heiß: Sie will den Fall der Europapolitikerin Hella Ranner (ÖVP) an eine andere Behörde abtreten.

Der Hintergrund: Ranner wird von ihrem ehemaligen Arbeitgeber, der Linzer Großkanzlei Saxinger, Chalupsky & Partner (SCWP), des schweren gewerbsmäßigen Betruges und der Veruntreuung von Firmengeldern mit einem Schaden von rund 520.000 Euro bezichtigt. Das Anwaltsunternehmen, an dem Ranner von 2004 bis 2010 geringfügig beteiligt war und in Graz als Geschäftsführerin fungiert hatte, hat eine diesbezügliche Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Graz übermittelt. Die sich nun aber befangen fühlt, denn ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft war früher für SCWP tätig. Dieser sei zwar nicht in die Ermittlungen gegen Ranner involviert, man wolle aber "jeden Anschein von Befangenheit in dieser heiklen Causa vermeiden" , sagte der Leiter der Staatsan-waltschaft Hansjörg Bacher zum Standard. Die für derartige Fälle zuständige Generalprokurator in Wien will im Laufe der nächsten Woche über eine Verlegung der Causa entscheiden.

Ranner ist mittlerweile einvernommen worden, bestreitet die Vorwürfe vehement und erklärte den Sachverhalt im Standard-Gespräch mit an sich gängigen "zivilgerichtlichen Streitigkeiten" .

In der Anzeige ist unter anderem von Abrechnungen die Rede, die statt auf dem Firmen- auf Ranners Privatkonto gelandet seien - so etwa Zahlungen der Grazer Messe. Ranner war dort Präsidentin und Vorstandsmitglied, wobei sie die Messe auch rechtlich beraten und laut Anzeige 2008 dafür 92.400 Euro netto bezogen habe.

Ranner, die alle Vorwürfe für "absurd" hält - für sie gilt die Unschuldvermutung - gibt allerdings in einem jetzt aufgetauchten Notariatsakt vom Oktober 2010 einiges zu. In einer "Vollstreckungserklärung" bestätigte sie ausdrücklich und per Unterschrift vor dem Notar, dass sie "aus Entnahmen sowie aus zu viel erhaltenen Honoraren" der Kanzlei Geld schulde. In Summe 355.471 Euro, die sofort zu zahlen seien. In der Folge meldete Ranner aber Insolvenz an.

Seit Jänner 2011 läuft ein Sanierungsverfahren. Und das ist ob der Größe der Verbindlichkeiten beachtlich. Vor allem, weil sich der von ihr ursprünglich angegebene Schuldenstand laut Gerichtsbericht vom 14. März dramatisch erhöht hat: von 4,9 auf 7 Millionen Euro. "Für eine Privatperson schon eine sehr auffällige Summe" , sagte Masseverwalter Axel Reckenzaun im Standard-Gespräch. Er müsse aber noch prüfen, ob die Bankforderungen auch schlüssig seien. Auf dem Insolvenzkonto laufen zurzeit Witwenpension und Politikergehalt ein:monatlich 8200 Euro. Spesen- und Taggelder darf Ranner - wie es heißt - "vorläufig" behalten. (Walter Müller, DER STANDARD; Printausgabe, 25.3.2011)