Die ökosoziale Marktwirtschaft ist zeitlos. Der schrankenlose Kapitalismus ist glorios gescheitert.

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STANDARD: Michael Spindelegger hat Sie zu seinem Vize ernannt. Eine symbolische Geste für die Postenverluste des Bauernbundes?

Berlakovich: Da müssen Sie Spindelegger fragen. Mich hat es gefreut, weil ich ihn schon lange kenne und ihn beim Durchstarten der ÖVP unterstützen will.

STANDARD: Glauben Sie, es ist Ihren Fähigkeiten geschuldet?

Berlakovich: Das weiß ich nicht, das kann ich nicht beantworten. Aber es freut mich, dass ich mithelfen kann, dass wir gemeinsam die Schwierigkeiten der Partei bewältigen.

STANDARD: Für die Schwierigkeiten sind auch Minister verantwortlich. Was ist Ihr Teil der Verantwortung?

Berlakovich: Die Situation ist durch diverse personelle Missstände eingetreten, die von der ÖVP bereinigt wurden. Und es ist notwendig, die Erfolge stärker zu kommunizieren. Wir sind besser als andere europäische Länder aus der Krise gekommen, und trotzdem herrscht in der Bevölkerung ein Unbehagen, als wäre nichts weitergegangen. Hier besser zu kommunizieren, wäre eine der Hauptaufgaben.

STANDARD: Ist wirklich nur der Fall Ernst Strasser verantwortlich für diese Krise der ÖVP?

Berlakovich: Es hat auch andere Fälle gegeben. Die Erkrankung von Josef Pröll war auch keine leichte Situation.

STANDARD: Eine der wenigen programmatischen Festlegungen am Parteitag war die Ankündigung von Michael Spindelegger, dass Österreich ab 2050 energieautark sein muss. Ein Erfolg für Sie?

Berlakovich: Mit Sicherheit. Ich freue mich auch darüber. Mein Antrieb in der Politik ist die Modernisierung Österreichs, und die Frage der Energieversorgung ist eine zentrale. Das energieautarke Österreich ist eine Konzeption, die sagt: Wir schließen Atomstrom aus, wir schließen fossile Brennstoffe aus und stellen völlig auf erneuerbare Energie um.

STANDARD: Das ist etwas, was der Bauernbund immer gefordert hat. Sind Sie jetzt der starke Mann aus dem Bauernbund?

Berlakovich: Der Bauernbund hat vor 25 Jahren die Energiewende eingeleitet, mit echter Pionierarbeit. Daraus habe ich die Energieautarkie entwickelt. Und die Katastrophe in Fukushima hat mir auf diesem Weg leider recht gegeben. Wenn Österreich sagt, wir wollen da raus, habe ich den Ehrgeiz zu zeigen: Wir können das.

STANDARD: Da hat der Bauernbund eine inhaltliche Position gewonnen, obwohl er personell verloren hat.

Berlakovich: Der Bauernbund war und ist eine der zentralen Stützen der Volkspartei. Er hat sich programmatisch immer eingebracht, bei der Ökologisierung etwa oder bei sicheren Lebensmitteln. Das sehe ich auch als Teil meiner Funktion, die ÖVP möglichst breit aufzustellen und auch dadurch die Partei zu modernisieren.

STANDARD: Österreich wird 2012 die Kioto-Ziele nicht erreichen.

Berlakovich: Es muss gelten, sie zu erreichen. Da müssen sich alle anstrengen. Das ist keine One-Man-Show des Umweltministers. Wenn die Ziele nicht erreicht werden, kostet das bis zu 650 Millionen Euro.

STANDARD: Vor 25 Jahren hat Josef Riegler die ökosoziale Marktwirtschaft "erfunden". Warum ist dieser Terminus verschwunden?

Berlakovich: Ich belebe diesen Terminus wieder, denn als Gesellschaftskonzept ist er zeitlos. Der schrankenlose Kapitalismus ist glorios gescheitert. Und der Kommunismus hat halb Osteuropa in Trümmer gelegt. Dass jeder seinen gerechten Anteil in der Gesellschaft bekommt, ist ein hochmodernes Konzept.

STANDARD: Tut es Ihnen leid, dass die für heute geplante Veröffentlichung eines neuen ÖVP-Parteiprogramms nun verschoben wurde?

Berlakovich: Ich würde sagen: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Modernisierung oder neue programmatische Ausrichtung wurde heute ohnehin eingeleitet.

STANDARD: Wer ist stärker, der Wirtschafts- oder der Umweltminister?

Berlakovich: Wir haben ein ausgezeichnetes Verhältnis. (Saskia Jungnikl, Conrad Seidl/STANDARD-Printausgabe, 21./22.5.2011)