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Es war ein langer Abschied aus der Politik, und doch mit Knalleffekt: Wolfgang Schüssel (66), "Wendekanzler" und seit 2008 einfacher Abgeordneter der ÖVP im Nationalrat, legt sein Mandat zurück. Auslöser ist die Telekom-Affäre und deren mögliche Verbindungen zu ÖVP-Politikern bzw. Mitgliedern seiner Regierungen - und die Ära Schwarz-blau wird nicht zum ersten Mal nachträglich von Skandalen überschattet.

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Der Altkanzler bleibt dabei: Von Malversationen und Korruption habe er nie etwas bemerkt. Mit seinem Rücktritt möchte er aber nun helfen, "umgehend und vollinhaltlich Klarheit zu schaffen".

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Zweifellos hat sich Wolfgang Schüssel einen Platz in den österreichischen Geschichtsbüchern gesichert, als er 2000 die erste schwarz-blaue Regierung (unterirdisch) zur Angelobung führte. Geprägt war die zunächst schwarz-blaue, dann schwarz-orange Ära von einem Aufbrechen alter Traditionen und einem hohen Reformtempo, auch wenn längst nicht alle Unterfangen von dauerhaftem Erfolg geprägt waren.

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Und so manche Maßnahme - Stichwort BUWOG-Privatisierungen oder Behördenfunk - sind mittlerweile ins Visier der Justiz geraten. So wie auch zahlreiche handelnde Personen, darunter der frühere Innenminister Ernst Strasser, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (beide V), Schüssels damaliger Vize Hubert Gorbach (B) sowie der ehemalige Infrastrukturminister Mathias Reichhold (F).

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Schüssel hatte der ÖVP nach Jahrzehnten wieder den Kanzler gebracht, und das, ohne eine Wahl gewonnen zu haben: Weder 1995, als der damals frisch gebackene Chef der Volkspartei gegen Franz Vranitzky einen vorgezogenen Urnengang provozierte, noch 1999 konnte er die hoch gesteckten Ziele erreichen. Einmal blieb die Volkspartei überraschend neuerlich hinter den Sozialdemokraten, das andere Mal erfolgte der historische Rückfall auf Platz drei. Trotzdem war Schüssel plötzlich Kanzler, als er 2000 die Gunst der Stunde nutzte und letztlich Jörg Haider und dessen FPÖ über den Tisch zog.

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Nach dem Platzen der ersten Koalition mit den Freiheitlichen in Folge des Knittelfelder Putsches hatte Schüssel dann am 24. November 2002 seinen wirklich großen Tag: Erstmals seit Jahrzehnten führte er die ÖVP auf Platz eins und war damit in den eigenen Reihen unumstrittener denn je.

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2006 dann kam dann wieder eine Niederlage, doch Schüssel blieb seinem Ruf als Steher treu. Unbeirrt führte er das Koalitionsteam der ÖVP an und machte den Sozialdemokraten das Leben nicht leicht. Logische Folge der roten Alternativenlosigkeit in Sachen Koalition: Die ÖVP riss der SPÖ auch diesmal vor allem bei den Ressorts große Zugeständnisse heraus. Danach übergab Schüssel die Parteiführung an Wilhelm Molterer und wechselte an die Klubspitze.

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Dort blieb er nur bis 2008. Sein Nachfolger Molterer war da schon wieder Geschichte: Josef Pröll hatte das Ruder in der ÖVP übernommen und läutete die endgültige Ablöse der Wende-Fraktion ein. Fortan saß Schüssel als außenpolitischer Sprecher der Volkspartei im Parlamentsklub.

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Dass er nebenbei auch ein Mandat im Aufsichtsrat des deutschen Energiekonzern RWE wahrnahm, trug ihm wiederholt Kritik ein. In die Annalen seiner Partei wird er indes nicht nur als Architekt von Schwarz-Blau eingehen, sondern auch als längstdienender ÖVP-Obmann.

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Die große Karriere war Schüssel eigentlich nicht in die Wiege gelegt. Er wurde von seiner alleinerziehenden Mutter in bescheidenen Verhältnissen groß gezogen, besuchte aber das prestigeträchtige Schottengymnasium. Es folgte ein Jusstudium und nebenbei einer Tätigkeit als Radio-Journalist.

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Politisch begann es in der ÖVP 1968, wo er sieben Jahre lang als Klubsekretär im Parlament diente. Tätig war er auch als Wirtschaftsbundgeneralsekretär, als Abgeordneter (ab 1979), als Wirtschaftsminister (1989-95) sowie ab 1995 als längst dienender VP-Obmann der Geschichte. Ab diesem Zeitpunkt fungierte er auch als Vizekanzler und Außenminister, ehe Schüssel 2000 das heiß ersehnte Kanzleramt übernahm.

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Schüssel als Person wird von seiner politischen Gegnerschaft menschlich wenig Gutes nachgesagt. Als kalt gilt der früher oft als "Schweigekanzler" apostrophierte, als gewiefter Taktiker, Arroganz wird ihm ebenso nachgesagt wie intellektuelle Überheblichkeit.

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Auf der anderen Seite unbestritten sind sein scharfer Verstand, sein Ehrgeiz und seine vielfältigen Talente vom Bergsteigen über das Fußballspielen bis zum Karikaturen Zeichnen, Cello spielen und Papierschnitte-Basteln. Privat lebt Schüssel zurückgezogen in Wien-Hietzing. Seine Urlaube verbringt er gern im Kloster oder in einer Ferienwohnung am Wolfgangsee.

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Verheiratet ist er seit Jahren mit Kinderpsychologin Krista, das Paar hat einen Sohn und eine unter dem Pseudonym Nina Blum firmierende Tochter, die es als Schauspielerin mittlerweile zum Promi gebracht hat. (APA)

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