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Kurt Gödel mal drei: Widerhofer, Silberschneider und Rauchenberger (von links).

Foto: APA/LUPI SPUMA

Graz - "Sich zu fürchten ist selten falsch", erklärt Kurt seiner Frau Adele. Doch wie Kurt Gödels Leben und Daniel Kehlmanns Bühnenerstling Geister in Princeton, der am Samstag im Grazer Schauspielhaus uraufgeführt wurde, uns erzählen, kann man sich auch zu Tode fürchten, etwa weil man vor lauter Angst, vergiftet zu werden, verhungert, weil nämlich die Ehefrau, die einen sonst trotz Plaudereien mit Geistern und Verfolgungswahn, geduldig umsorgte, gerade nicht da ist. Das war das Ende des großen österreichischen, später US-amerikanischen Mathematikers Gödel, der 1978 in Princeton 71-jährig starb.

Oder aber der Anfang. Denn Gödel, der auch eng mit Albert Einstein befreundet war, sah Zeit und Leben als Kreislauf, in dem alle Momente parallel existieren. Deswegen sprach der Mann, der andere mit seiner messerscharfen Logik aushebeln konnte, auch gleichermaßen mit Lebenden und Toten.

So beginnt auch Kehlmanns Stück mit dem Ende: Gödel, nun selbst zum Gespenst geworden, beobachtet seine Trauerfeier. Johannes Silberschneider füllt die Rolle des misstrauischen Genies liebevoll aus, nimmt Gödel in allen Lebensphasen ernst. Auch Gödels Alter Ego (Rudi Widerhofer) und Gödel als Student (Claudius Körber) spielen einfühlsam mit.

Bei Kehlmann, dessen Geister in Princeton als szenische Lesung bereits bei den diesjährigen Salzburger Festspielen präsentiert wurden, fiel Gödels Biografie in die richtigen Hände. Es gelang ihm nach dem Roman Die Vermessung der Welt auch auf der Bühne, das Leben eines Wissenschafters spannend zu erzählen.

Die Grazer Intendantin Anna Badora, auch sonst keine Vertreterin des Regietheaters, sondern für ihren respektvollen Umgang mit Texten bekannt, nahm sich - wohl nach Kehlmanns Geschmack - allzu sehr zurück. Sie lässt weitgehend vom Blatt spielen: Ein inszenatorisches Defizit, das das Stück aber ohne jede Fadesse überlebt.

Lichtdesign und wie gestörte Radiofrequenzen krachende Töne zeigen Zeitsprünge an. Etwa wenn das Kind Gödel (beeindruckend: David Rauchenberger), auftritt, um die Mutter mit Fragen zu fordern. Raimund Orfeo Voigts Bühne trennt die Sphären durch Glas.

Ein Vergnügen ist Kehlmanns Charakterisierung der anderen Wissenschafter: Einstein (Hans Peter Hallwachs), dessen Relativitätstheorie erst kürzlich ins Wanken geriet, wird als normaler alter Mann gezeigt, dem nichts mehr einfällt und den abseits der Gespräche mit dem schrulligen Gödel alles langweilt. Ein Höhepunkt sind auch die Sitzungen des Wiener Kreises, dessen Begründer, Moritz Schlick (Dominik Warta), von einem wahnsinnigen Studenten (Simon Käser) erschossen wird.

Mit Hans Hahn (Franz Solar), Otto Neurath (Franz Xaver Zach) oder Friedrich Waismann (Stefan Suske) redet man hier vor allem über Ludwig Wittgenstein, der als großer Abwesender zur stets beleidigten Philosophiediva wird. Dabei übersehen die Denker die drohende Gefahr von Hitlers Einmarsch, der viele von ihnen ins Exil treiben wird. Student und Beweisfetischist Gödel schweigt in dieser Runde, weil schon "genug Meinung" in der Welt sei. "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen", hätte Wittgenstein gesagt.

Amüsant sind auch die Dialoge zwischen Gödel und seiner älteren Frau, der Tänzerin Adele, die ihn lange mit ihrer Bodenständigkeit schützt. Steffi Krautz scheint wie geschaffen für diese Rolle. Und wir lernen: Mit einem Logiker sollte man nicht streiten. "Wer nicht isst, stirbt!", warnt Adele. Ihr Kurt kontert: "Wer isst, auch." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD - Printausgabe, 26. September 2011)