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Die beiden Nestroy-Preisträger Peter Handke und Peter Turrini (li.) haben in ihren Dankesreden an das "Stücke"-Schreiben appelliert bzw. an das Urheberrecht des Autors gemahnt.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien - Viele sehr unterschiedliche Wettstreiter waren bei der diesjährigen Nestroy-Gala im Raimundtheater anwesend. Ebenso unerwartete Gewinner wurden mit der spitzzackigen Trophäe dann auch nach Hause geschickt: Max Mayer als bester Schauspieler, Franziska Hackl als bester Nachwuchs, Franz Wittenbrink mit dem Spezialpreis, und Eleonore Bürcher aus Tirol wurde Publikumsliebling.

In der knapp zwei Stunden mit dem Herzstillstand hadernden, live auf ORF 3 übertragenen Show wurde es nur dann spannend, wenn Vertreter der Zunft Reden dazu genützt haben, ihre eigenen Anliegen an das Theater anzubringen. Dabei wurde die tiefe Kluft, die zwischen den unterschiedlichen künstlerischen Überzeugungen in diesem Betrieb herrscht, ganz deutlich. Vor allem sehen sich die auf klassische Stückeschreibkunst Wert legenden Dramatiker vom zeitgenössischen Theater wegrationalisiert.

Hat die Rede Daniel Kehlmanns vor drei Jahren bei den Salzburger Festspielen dem Regietheater-Bashing erstmals wieder Luft zugefächert, so setzte Lebenswerkpreisträger Peter Turrini nun zu einem ähnlichen Pamphlet an (obwohl er sich eingangs von Kehlmann distanzierte), indem er das zeitgenössische Theater als weitgehend "plemplem" abtat und auf das Urheberrecht des Autors bestand. Vom Urheberrecht des Regisseurs war dabei nicht die Rede. Ausgerechnet Elfriede Jelinek hielt - vertreten von Kirsten Dene - die Laudatio auf Turrini, eine Schriftstellerin also, die für eine ganz andere Auffassung von einem zeitgenössischen Bühnentext steht als Turrini.

Auch Peter Handke, für sein Stück Immer noch Sturm mit dem Autorenpreis ausgezeichnet, distanzierte sich in seiner Dankesrede überraschend von "Textflächen" (ein Synonym für die Stücke Jelineks) und unterstrich die Wichtigkeit von per se dramatischen Texten (im Unterschied zu dramatisierter Epik).

Diese künstlerischen Diskrepanzen macht die Nestroy-Gala jedes Jahr aufs Neue sichtbar. Mitunter musste anno 2008 Regisseur Michael Thalheimer (der heuer zum dritten Mal für die beste deutschsprachige Produktion ausgezeichnet wurde) gegen eine Rede Einspruch erheben, die seine Kunst indirekt desavouiert hat.

Zu solchen Konfrontationen kam es heuer nicht mehr. Angesichts einer Diskussion mit einander kaum noch berührenden Positionen und einer solch kläglichen Show klatschte man lieber verhalten und ging schnell heim. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD - Printausgabe, 16. November 2011)