Michael Himmer: "Kreativität kann nicht allein mit juristischem Sachverstand begründet werden."

Foto: Paul Wilke / FV Werbung

Angelika Sery-Froschauer: "Der Unmut in der Werbebranche ist seit vielen Jahren groß. Eine Reform des Vergaberechts und der öffentlichen Auftragsvergabepraxis ist überfällig."

Foto: Paul Wilke / FV Werbung

Demner legt wegen der Österreich Werbung Einspruch beim Verwaltungsgerichtshof ein. "In einer Zeit, in der die Werbe- und PR- Branche plötzlich im Mittelpunkt handfester Skandale steht, ist es wichtig, dass wir in Eigeninitiative dagegen steuern", sagt er.

Foto: Paul Wilke / FV Werbung

Extrem knappe Fristen, unklare Auftragsdefinitionen, Ausschreibungen, die zum Bespiel nur für Netzwerkagenturen gelten, Behinderungen von Arbeitsgemeinschaften, absurde Pönalen, mangelhafte Briefings, unklare Zuschlagskriterien: Das sind nur einige Bespiele, die in der Praxis bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Unzufriedenheit bei den Kreativagenturen sorgen. Grundsätzliche Branchenregeln würden missachtet, die Qualität der Ausschreibung sei oft nicht geeignet, um die am besten qualifizierte Agentur zu finden. Freilich sei kreative Leistung immer auch subjektiv, daher sei es umso wichtiger, dass es objektive Kriterien für die Vergabe von Kommunikationsleistungen geht, sagt Mariusz Jan Demner.

Kritik am Verfahren der Österreich Werbung

Seine Agentur Demner, Merlicek & Bergmann hat gerade beim Verwaltungsgerichtshof Einspruch gegen die Pitch-Entscheidung der Österreich Werbung eingelegt. Das Bundesvergabeamt hat wie berichtet zuvor die Beschwerde von Demner abgelehnt. Demner kritisiert das Ausschreibeverfahren der Österreich Werbung nicht nur inhaltlich, auch die Wahl des sogenannten "dialogorientierten Verfahrens" verwundert ihn und seine Rechtsanwälte von Wolf Theiss. Dieses Verfahren des wettbewerblichen Dialogs werde in der Regel für Riesenaufträge wie zum Beispiel im Tunnelbau angewendet, sei aber für Agenturleistungen ungeeignet. "Der Gang zum Verwaltungsgerichtshof kostet, wir haben hier nichts mehr zu gewinnen", ist Demner klar, ihm gehe es jedoch um Transparenz und Nachvollziehbarkeit.

Demner: "Es gibt in der Branche großes Klagen über nicht nachvollziehbare, oft auch unverständliche Ausschreibungen. Statt bloß zu jammern, sollten wir alle aktive Beiträge leisten, damit sich das zum Besseren wendet. In einer Zeit, in der die Werbe- und PR- Branche plötzlich im Mittelpunkt handfester Skandale steht, ist es wichtig, dass wir in Eigeninitiative dagegen steuern. Wir können und müssen darauf drängen, dass die Vergaben von Kreativaufträgen im öffentlichen Bereich in jeder Phase formal und inhaltlich den Aufgabenstellungen gerecht werden, dass sie transparent und einwandfrei nachvollziehbar sind." 

Großer Unmut seit vielen Jahren

Generell sei der Unmut in der Branche seit vielen Jahren groß, sagt auch Angelika Sery-Froschauer. Sie ist die Obfrau des Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation in der WKÖ. Eine Reform des Vergaberechts und der öffentlichen Auftragsvergabepraxis sei überfällig.

Es gehe darum, wie das Bundesvergabegesetz umgesetzt und angewendet werde. "Es muss auf zentrale Branchenusancen Rücksicht genommen werden", sagt auch Michael Himmer, Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Wien. Auch aus Sicht der Auftraggeber solle das Interesse an fairen und transparenten Vergaben von professioneller Kommunikation da sein, "Kommunikation ist eine zentrale Aufgabe der öffentlichen Hand. Öffentliche Aufträge müssen daher nach klaren und nachvollziehbaren Regeln vergeben werden, damit die Kommunikation auch bei der Zielgruppe ankommt." 

Himmer: "Vergaben wie unter Ex-Unschuldsfinanzminister dürfen nicht mehr passieren"

Oft seien diese Verfahren so kompliziert, dass kleine Unternehmen hier gar keine Chance hätten, mitzumachen, kritisiert Himmer. Das sei eine "Verhinderung des Wettbewerbes". Er fordert, dass Ausschreibungen auf keinen Fall von Branchenunerfahrenen wie Anwaltskanzleien durchgeführt werden sollen. "Dies fördert nur die Geldbeschaffung Einzelner", so Himmer, denn "Kreativität kann nicht allein mit juristischem Sachverstand begründet werden." Es gehe vor allem darum, bei der öffentlichen Hand Bewusstsein für diese Probleme zu schaffen. Himmer: "Vergaben wie unter dem Ex-Unschuldsfinanzminister dürfen nicht mehr passieren."

Richtlinie gefordert

Die Bundesregierung soll hier eine Richtlinie für die Vergabe öffentlicher Aufträge erstellen, fordert der Fachverband Werbung und Markkommunikation. Alle Aufträge für öffentliche Kampagnen müssten fair und transparent ausgeschrieben werden, denn "ohne professionelle und marktkonforme Ausschreibungen ist auch die Chance gering, den für die jeweilige Kommunikationsaufgabe am besten geeigneten Partner zu finden. Das würde auch einen effektiveren Einsatz von Budgetmitteln zur Folge haben." (ae, derStandard.at, 28.11.2011)