Ingrid Nikolay-Leitner: "Sanktionen sind wichtig, um Bewusstsein zu schaffen."

Foto: Gleichbehandlungsanwaltschaft

Seit 1.1.2012 müssen Firmen mit konkreten Sanktionen rechnen, wenn in inserierten Stellenanzeigen die Angabe des Mindestgehalts fehlt. Die gesetzliche Verpflichtung zur Angabe galt auch bisher schon. In einem Test von vier österreichischen Tageszeitungen der ÖGB-Frauen in der zweiten Jahreshälfte 2011 fanden sich in weniger als fünf Prozent korrekte Angaben. Geldstrafen gab es bisher keine, das ändert sich künftig. Auch Privatpersonen können "den Stein ins Rollen bringen", weiß Anwältin Ingrid Nikolay-Leitner.

derStandard.at: Welche Missachtungen in Inseraten werden ab heuer sanktioniert?

Nikolay-Leitner: Diskriminierende Formulierungen in Inseraten, die das Gleichbehandlungsgesetz verletzen sowie bei Stelleninseraten auch das Fehlen von Angaben über das für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz geltende kollektiv-vertragliche Mindestentgelt und gegebenenfalls die Möglichkeit einer Überzahlung.

derStandard.at: Was können Privatpersonen tun, wenn ihnen ein Stelleninserat auffällt, das keine Gehaltsangaben macht?

Nikolay-Leitner: Bei Stelleninseraten, die dem Gleichbehandlungsgesetz nicht entsprechen, können sowohl einerseits BewerberInnen als auch andererseits die GleichbehandlungsanwältInnen der Anwaltschaft für Gleichbehandlung eine Sachverhaltsdarstellung an die Bezirksverwaltungsbehörde richten und so ein Verwaltungsstrafverfahren einleiten.

derStandard.at: Wie wird die Gleichbehandlungsanwaltschaft agieren?

Nikolay-Leitner: Wir werden nach Inkrafttreten der Sanktionen eine systematische Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen in den wichtigsten Printmedien durchführen. Geplant ist in Wien drei Zeitungen und pro Bundesland eine Zeitung stärker im Auge zu behalten. InserentInnen, die das Gleichbehandlungsgesetz nicht einhalten, informieren wir schriftlich über die gesetzlichen Bestimmungen. Bei wiederholter und gravierender Gesetzesverletzung richten wir eine Sachverhaltsdarstellung an die Bezirksverwaltungsbehörden.

derStandard.at: Wird überhaupt systematisch kontrolliert werden (können)?

Nikolay-Leitner: Eine dauernde, systematische Überprüfung ist mit den Ressourcen der Gleichbehandlungsanwaltschaft nicht möglich. Wir werden aber für StellenwerberInnen und InteressentInnen, die selbst aktiv werden wollen, eine unterstützende Information auf der Website www.gleichbehandlungsanwaltschaft.at veröffentlichen.

derStandard.at: Die Höhe der Sanktionen ist maximal 360 Euro.Was sagen Sie zur Höhe der Strafe?

Nikolay-Leitner: Die Sanktion gilt pro Inserat - wobei bei der ersten Gesetzesverletzung eine Verwarnung vorgesehen ist. Nach unseren Erfahrungen mit dem Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung, bei dem die Sanktion seit 1992 in Kraft ist, ist der Betrag durchaus zur Bewusstseinsbildung geeignet. Sanktionen sind wichtig um Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das Gleichbehandlungsgesetz ein Gesetz ist wie jedes andere. (Marietta Türk, derStandard.at, 2.1.2012)