Auf Englisch wurde ihr die zweifelhafte Ehre zuteil, dem Scharfschützen ihren Namen zu leihen: Der Sniper heißt angeblich so, weil die Schnepfe, englisch "snipe", gar so schwer zu schießen ist.

Ob die Waldschnepfe, englisch woodcock, sich leichter erlegen lässt, weiß ich leider nicht. Der Vogel ist in Österreich jedenfalls nur sehr selten zu haben – kurz vor Ostern hatte das Gut Purbach aber welche im Programm. Und weil ich ja eher übers Kochen als übers Essen blogge, hat mir Purbach-Chef Max Stiegl auch noch eine mitgegeben – nochmals danke dafür!

Der Herr Corti hat der Schnepfe ja bereits mehrmals ein Loblied gesungen, zuletzt auch an dieser Stelle. Ich liefere hier die Fotos und den Selbstversuch nach. Was ich so mitbekommen habe, sind einige Leser-Reaktionen auf Herrn Cortis Schnepfengeschichte wenig freundlich ausgefallen. Ich finde das seltsam: Wildtiere zu essen ist sicher die tierfreundlichste Art des Fleischkonsums. Die Schnepfe wird zudem von Jägern gern geschossen, ihrer Schwanzfedern beraubt und dann weggeworfen – eine traurige Verschwendung.

Foto: Tobias Müller

Das Tier wird beinahe so verzehrt, wie es vom Himmel geholt wurde: Gerade mal gerupft wird es, bevor ihm sehr kurz sehr heiß eingeheizt wird. Erst nach dem Braten wird die Schnepfe ausgenommen und die Innereien, der "Schnepfen-Dreck", kurz in heißer Butter geschwenkt.

Bloß der zähe Magen wird weggelassen. Die Briten verzichten sogar auf das Garen, meint der Herr Stiegl, wer einmal Schnepfendreck roh gesehen hat, tut sich da schwer bei der Vorstellung. Vor der Schnepfe hat er uns der Chef ein delikates Menü gebastelt, das Freund M. in seinem schönen neuen Blog hier beschrieben hat. (Leider ist dem nicht viel hinzuzufügen, ich hätt es vorher nicht lesen sollen.)

Begonnen hat der Reigen mit einem weißen Bohnensüppchen mit zart geräucherter Andouillette und Fenchelpollen, die der samtigen Suppe eine spannende ätherische Note verliehen haben.

Foto: Tobias Müller

Es folgten Kutteln mit Miesmuscheln in Tomatensauce, perfekt gewaschen, sodass ihr dezenter Kuttelgeschmack nur erfreut und nicht gestört hat.

Die Parmesan-Späne dazu waren mir fast ein wenig zu dominant, dafür haben die Muscheln und ihr salziger Sud ganz hervorragend mit den Kutteln harmoniert. Bloß von der Konsistenz waren sich Muscheln und Kutteln etwas ähnlich.

Foto: Tobias Müller

Als Zwischengang wurden "Ostereier vom Kitz" gereicht: panierte Jungziegenhoden auf Bärlauchpüree – außen knusprig, innen cremig-weich, köstlich.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Wenige Kilometer vom Restaurant entfernt hält Stiegl seine Ziegenherde, vielleicht 50 Tiere in einem riesigen Gehege mit Bach. Wer wissen will, wie glückliche Ziegen aussehen, fährt nach Purbach. Geschlachtet wird meist so, dass es am Wochenende frische Innereien gibt – Reservierung empfohlen.

Das Schnepferl kam beim Herrn Stiegl für acht Minuten bei 300 Grad ins Rohr, getoppt mit einem ordentlichen Stück Butterschmalz. Beigelegt war eine Knoblauchzehe für die Optik, die Stiegl auf meinem Teller hingelegt hat als hätte die Schnepfe grad ein Ei gelegt.

Foto: Tobias Müller

Gegessen haben wir mit des Chefs Segen hauptsächlich mit bloßen Händen. Viel ist nicht dran an dem Vogerl, die Brust ist eindeutig der ausgiebigste Teil. Sie ist herrlich zart und schmeckt erdig-lebrig, ähnlich wie Taube, bloß etwas herber und wilder.

Die Beine geben nicht allzu viel her und sind zu durch, wenn die Brust richtig gebraten ist, weil aber der Schnepfensaft drüber rinnt, empfiehlt es sich trotzdem, daran zu nagen. Alles, was nach der Filetierung am Gestell bleibt, wird abgenagt.

Am fettesten und schmackhaftesten sind sie von März bis April und dann wieder von Oktober bis November, wer jetzt kein Glück mehr hat, der kanns im Herbst versuchen.

Foto: Tobias Müller

Weil wir sie erst im Gut Purbach gespeist haben, bevor ich selbst zu Werke gegangen bin, habe ich glücklicherweise eine Vergleichsmöglichkeit. Und nach dem Selbstversuch muss ich sagen: Wie bei allen Dingen, die nur sehr wenig Arbeit verlangen, ist es dafür umso wichtiger, diese paar Schritte perfekt auszuführen. So habe ich es leider geschafft, den köstlichen Dreck zu versauen.

Das Schnepfen-Rupfen ist ein wenig eine Fizzelei, geht aber leichter, als ich dachte und funktioniert auch, wenn man sie nicht überbrüht. Die Haut sieht allerdings deutlich appetitlicher aus, wenn sie einmal im heißen Wasser war. Einmal ausgezogen, habe ich die Schnepfe mit Butter belegt und bei allem, was der Ofen her gibt – 275 Grad behauptet der Schalter, 260 sagt das Backrohrthermometer – für etwa 12 Minuten gebraten.

Vorsicht

Erst wenn sie gebraten ist, werden mit einem Löffel die Innereien aus dem Tier gekratzt. Während der Vogel in der Röhre rastet, den Schnepfendreck kurz in Butter braten, mit Cognac löschen und, wenn Sie es dem Herrn Stiegl gleichtun wollen, mit Vogelmiere würzen. Weil ich keinen Cognac hatte, habe ich Whiskey genommen, der mir noch dazu ausgekommen ist.

Das Ergebnis war leider unessbar – hier ist Vorsicht geboten! Auch ohne dem Whiskey-Missgeschick wäre mein Dreck etwas zu flüssig geraten, weil ich gar großzügig mit der Butter umgegangen bin.

Den gelungenen Dreck auf Weißbrot servieren, das ebenfalls in Butter gebraten wurde.

Der Kopf der Schnepfe wird traditionell abgetrennt, der spitze Wattvogel-Schnabel durch die Beine gesteckt und serviert. Ich habe ihn nicht mit auf den Teller gelegt, weil das Schnepfenhirn aber ganz köstlich cremig-hirnig schmeckt, wäre es schade, ihn ganz wegzulassen. Meine Schnepfe war nicht ganz so rare wie die in Purbach, daher weniger zart, dafür aber etwas intensiver im Geschmack.

In eigener Sache:
In den nächsten Wochen werde ich keine aktuellen Beiträge liefern können. Den Gruß aus der Küche wird es zwar auch dann geben, die Einträge werden sich aber mit mehr oder weniger zeitlosen Dingen befassen. (Tobias Müller, derStandard.at, 15.04.2012)