Bettina Rausch spricht am Bundestag der Jungen ÖVP in Graz, wo das "Demokratiepaket" präsentiert wurde. 

Foto: JVP

Auf die Frage, ob es zu wenige Frauen in der ÖVP gibt, sagt Rausch: "Ich halte wenig davon, Mädels in eine Position zu drängen, in der sie nicht sein wollen."

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Bettina Rausch ist die Frau hinter Sebastian Kurz. Die Niederösterreicherin ist seit 2009 stellvertretende Bundesobfrau der Jungen ÖVP. Während der Integrationsstaatssekretär in den letzten Monaten zum Liebkind der Republik avancierte, arbeitet sie weitgehend unbemerkt im Bundesrat. Gemeinsam haben Rausch und Kurz das "Demokratiepaket" ausgearbeitet, mit Forderungen nach mehr Bürgerbeteiligung und einer Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts. Im Interview mit derStandard.at spricht sie über ihr Mitleid mit Laura Rudas und den Grund, warum eine Koalition der ÖVP mit der FPÖ ein "jenseitiger Gedanke" ist.

derStandard.at: Frau Rausch, hat es in den letzten Monaten Situationen gegeben, in denen Sie sich für Ihre Partei geschämt haben?

Rausch: Geschämt nicht, weil ich für nichts, was für Negativschlagzeilen gesorgt hat, verantwortlich bin. Ich ärgere mich aber über Peter Pilz, weil das jemand ist, für den Regeln, die er für andere aufstellt, selbst nicht gelten. Ich ärgere mich auch über die Berichterstattung. Jeder Schnaufer von Peter Pilz und Gabriela Moser wird da aufgeschnappt. Wo wollen wir hinkommen, wenn wir die Politik insgesamt so beschädigen? Die Leute differenzieren irgendwann nicht mehr und denken, das sind alles korrupte Menschen. Und ich ärgere mich natürlich auch zutiefst über die Reaktionen von eigenen Leuten.

derStandard.at: Welche Reaktionen meinen Sie?

Rausch: Zum Beispiel die Verschwörungstheorie, die Werner Amon und die ÖVP über die Staatsanwaltschaft gezimmert haben.

derStandard.at: Sind Sie von Werner Amon enttäuscht?

Rausch: Nein, ich bin nicht enttäuscht. Wir haben offenbar - und daran wird jetzt gearbeitet - kein zufriedenstellendes Gesetz über die Parteienfinanzierung. Es ist noch nicht einmal gesagt, dass Werner Amon etwas Unrechtes getan hat. Und dann wird er in einem politischen Tribunal vorgeführt, weil er einen Beleg nicht hat. Ich halte von den Untersuchungsausschüssen in der jetzigen Form exakt null. 

derStandard.at: Wie soll sonst für Aufklärung gesorgt werden?

Rausch: Ich wünsche mir, dass die gerichtlichen Verfahren schneller gehen. Wenn jemand Steuern hinterzogen oder andere Gesetze verletzt hat, dann soll das geahndet werden. 

derStandard.at: Gerichte sollen sich damit beschäftigen, aber nicht das Parlament?

Rausch: Wenn Werner Amon etwas falsch abgerechnet oder die Steuer nicht ordentlich abgeführt hat, dann ist das zu klären. Aber das hat keine politische Dimension. Der ÖAAB gibt eine Zeitung heraus, wie das jeder Tennisverein auch macht, und Amon stellt dafür Inserate auf. Wie sollte man die ganze Vereinslandschaft finanzieren? Gut, für ein Inserat gibt es offenbar keinen Beleg. Wenn sie ihn finden, ist alles super. Wenn nicht, muss das geahndet werden. 

derStandard.at: Sie finden, der U-Ausschuss hat nichts Wichtiges zutage gefördert?

Rausch: Der U-Ausschuss hat viel Porzellan zerschlagen. Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, dass man sich schneller damit befasst, wie wir ein zeitgemäßes Parteienfinanzierungsgesetz aufstellen. Aber ganz ehrlich, gewusst haben das alle Beteiligten auch schon davor. Dieses Schauspiel hätten wir uns ersparen können. Es gibt hunderte Kollegen hier im Parlament, nur weil zwei, drei Leute vielleicht eine Verfehlung begangen haben, sind jetzt alle pauschal korrupte Schweindln. Warum soll dann ein junger Mensch sagen, ich tue mir das an, in die Politik zu gehen?

derStandard.at: Das klingt jetzt stark nach Verharmlosung der Korruption. Es hat ja auch 2008 im Zuge des Wahlkampfs dubiose Geldflüsse an die Junge ÖVP gegeben?

Rausch: Die Junge ÖVP hat in dieser Sache kein Geld von außen empfangen. Ich war damals noch nicht im Bundesvorstand, aber ich kenne das auch von mir. Wenn ich Unterstützung und Geld brauche, dann geht man halt zu den Älteren in der Partei und sagt, wir wollen einen ordentlichen Wahlkampf machen, könnt ihr uns unterstützen? In dem Fall war es auch so, und Silvia Fuhrmann (damals Bundesobfrau der JVP, Anm.) ist die Finanzierung zugesagt worden. Die hat nicht wissen müssen, wo die Kohle herkommt. Das ist ein ganz normaler Vorgang, der laufend passiert. Wo das Geld hergekommen ist, ist dann eh im U-Ausschuss debattiert worden. Es ist letztlich wahrscheinlich auch nicht unrecht, wenn ein Unternehmen sich entscheidet, Geld an eine Partei zu spenden. 

derStandard.at: Warum ist das nicht unrecht?

Rausch: Weil wir bislang keine Regeln haben, deshalb kann es nicht unrecht sein. Ich bin dafür, es für die Zukunft transparent zu machen. Aber wir können nicht den Zeitpunkt der Schuldprüfung verschieben. Moralisch sehe ich das ähnlich, alle haben das das bis jetzt okay gefunden, jetzt gibt es ein neues Bewusstsein.

derStandard.at: Sie haben kein Problem damit, dass Unternehmen Geld in das Parteiensystem schütten, um Gesetze und Verordnungen zu kaufen?

Rausch: Das ist etwas anderes. Wenn jemand sich privat Geld einsteckt, noch dazu, wenn man eine Leistung verspricht, wie es bei Ernst Strasser gewesen ist, sind wir mitten im Bereich der Korruption. Das ist ein ernsthaftes Problem. Und das müssen wir für die Zukunft regeln, damit solche blödsinnigen Situationen nicht mehr entstehen. Also transparent machen, wer einer Partei was gibt. Aber ich bin weiterhin dafür, dass Unternehmen eine Partei finanzieren dürfen. Weil sonst Demokratie, wie wir sie jetzt leben mit unserem Parteiensystem, nicht funktioniert. Wie soll ich meine Mitarbeiter zahlen? Mit der staatlichen Parteienförderung geht sich das hinten und vorne nicht aus. 

derStandard.at: Eine der höchsten Parteienförderungen der Welt reicht dafür nicht aus?

Rausch: So, wie wir es gewohnt sind, nicht.

derStandard.at: Arbeitet der Abgeordnete dann für die Firma, die die ganze Partei finanziert, oder für seine Wähler? 

Rausch: Sie stellen das so dar, als wäre die Wirtschaft ein Planet und die Politik ein anderer Planet, und die Bürger sind auf einem dritten, und es hat alles nichts miteinander zu tun. Man darf Firmen nicht immer unterstellen, dass es zwingend darum geht, etwas Bestimmtes zu erreichen; manche haben halt so etwas wie eine Corporate Social Responsibility. Für uns ist, und das sagen wir auch im Demokratiepaket, Transparenz ganz wichtig.

derStandard.at: Wie lautet Ihre konkrete Forderung zur Parteienfinanzierung?

Rausch: Sie transparent zu machen. Es gibt tausend Vorschläge, ab welcher Summe man das machen soll. Dazu haben wir keinen konkreten Vorschlag gemacht, weil es eine Verhandlungsgruppe gibt, auch in der ÖVP, die das federführend machen.

derStandard.at: Wären Sie dieser Tage gerne Piratin?

Rausch: Wenn man in der Jungen ÖVP ist, ist man de facto eine Piratin in der eigenen Partei. Denn wir legen im Bereich Demokratiereform Dinge vor, die es in den alteingesessenen Parteien bisher nicht gab und die jetzt auch den Kurs der eigenen Partei bestimmen.

derStandard.at: Will man mit den Forderungen des Demokratiepapiers neuen Bewegungen wie den Piraten den Wind aus den Segeln nehmen?

Rausch: Wir haben selbst gespürt, so kann es nicht weitergehen. Das heißt, es ist nicht ein Außenreiz gewesen, der uns darauf aufmerksam gemacht hat, wir haben eigentlich schon viel früher damit angefangen.

derStandard.at: Öffentlich bekannt wurde es, als ÖVP-Obmann Michael Spindelegger Sebastian Kurz den Auftrag dazu erteilte.

Rausch: Die mediale Resonanz auf diesen Auftrag hat mir auch nicht so geschmeckt. Weil der Eindruck entstanden ist, jetzt lassen wir die Kleinen mal ein bissl arbeiten. Die Genese des Ganzen ist aber eine andere. Für uns war klar, wenn der Bundestag heuer ist, wollen wir da etwas Substanzielles vorlegen, wie wir uns vorstellen, dass Politik und Demokratie in den nächsten Jahren funktionieren sollen.

derStandard.at: Verlangt wird unter anderem eine Volksabstimmung, wenn zehn Prozent der Wahlbevölkerung unterschreiben. Können Sie sich - wie in der Schweiz - eine Abstimmung über Minarette vorstellen?

Rausch: Wenn man direkte Demokratie ernst nimmt, dann geht es nicht darum, ein Thema zu verhindern. Ich hoffe und bin überzeugt, dass die Menschen nicht so eindimensional sind, dass sie nur darüber nachdenken, wogegen sie sind. Es ist eine Einladung an die Leute, sich einzubringen. Und ja, wenn es eine Abstimmung gibt, die allen Kriterien entspricht, dann muss man sich auf die auch einlassen.

derStandard.at: Sie wollen also auch über Minderheiten abstimmen lassen?

Rausch: Die Inhalte einer Volksabstimmungen oder Volksbefragung dürfen mit der Verfassung nicht zwingend im Widerspruch stehen. Also da gibt es klare Regeln. Menschenrechte und Grundrechte dürfen auf jeden Fall nicht verletzt werden. Aber wenn es um Baurechtsfragen geht, warum nicht?

derStandard.at: Warum ist Sebastian Kurz der einzige Junge aus der ÖVP, der öffentlich sichtbar ist? 

Rausch: Ich finde die mediale Präsenz des Sebastian Kurz superleiwand. Er ist der einzige junge Politiker in Österreich, der mit einer konstruktiven Arbeit auffällt. Und ich höre von vielen Leuten, dass dieser neue Stil ankommt. Wo ist denn das junge SPÖ-Regierungsmitglied? Laura Rudas hat man aus meiner Sicht einen Bärendienst damit erwiesen, sie zur Generalsekretärin zu machen, weil das keine gute Position für einen jungen Politiker ist. Da tut sie mir manchmal sogar ein bisschen leid. 

derStandard.at: Warum gibt es in der JVP so wenige Frauen, in der gesamten Führungsriege sind es nur zwei?

Rausch: Als Landesobfrau in Niederösterreich versuche ich, Frauen zu fördern. Aber ich halte wenig davon, Mädels in eine Position zu drängen, in der sie nicht sein wollen. Das Gleiche gilt für Burschen. 

derStandard.at: Sehen Sie kein Strukturproblem in der ÖVP?

Rausch: Ich wäre nicht hier, wenn es nicht möglich wäre. Wenn ich junge Frauen frage, ob sie eine Funktion in der Partei übernehmen wollen, höre ich oft, das kann ich mit meinen Lebensvorstellungen nicht in Verbindung bringen. Es ist definitiv eine Herausforderung, aber ich sehe es nicht so dramatisch. 

derStandard.at: Wie stehen Sie einer möglichen Koalition mit der FPÖ gegenüber?

Rausch: Also mit der FPÖ, wie sie sich jetzt darstellt und auch gebärdet, finde ich das einen etwas jenseitigen Gedanken. Ich finde es schade, dass es die Alternative nicht gibt, mit jemand anderem zu koalieren, und möchte sie daher nicht ganz abschreiben. (Stefan Hayden, derStandard.at, 19.4.2012)