"Kann man sich erholen, wenn man finanziell eingeschränkt ist, weil man zum Beispiel gerade beim Hausbauen ist?" Handelsobfrau Bettina Lorentschitsch glaubt nicht an den Erholungsfaktor Urlaub. Zumindest nicht als alleiniges Ventil, um den Arbeitsdruck abzulassen: "Ich war bis jetzt heuer drei Tage auf Urlaub und fühle mich ausgesprochen wohl", sagt Lorentschitsch im Gespräch mit derStandard.at.

Ihren Vorstoß, angesammelten Resturlaub ausbezahlen lassen zu können, verteidigt sie: "Mir geht es um mehr individuelle Freiheit, um die Bedürfnisse der Mitarbeiter." Alles unter der Prämisse des Prinzips Freiwilligkeit: "Es sollte kein Zwang sein, sondern eine Vereinbarungsmöglichkeit."

Jedes zweite Jahr oder ab einem gewissen Polster

Wie eine solche "Vereinbarungsmöglichkeit" im Detail aussehen könnte, darauf will sich die Salzburgerin nicht festlegen. Nur so viel: Es könnte etwa jedes zweite Jahr die Gelegenheit für monetäre Abgeltung geben, oder wenn das Konto des Resturlaubs eine gewisse Grenze überschreite. Hier spekuliert sie mit 20 oder 30 Tagen. Ihr Vorpreschen sei mehr den Bedürfnissen der Dienstnehmer und weniger den Wünschen der Firmen geschuldet, behauptet sie. "Ich habe die Rückendeckung vieler Mitarbeiter, die das so sehen", so Lorentschitsch, die seit 25 Jahren als Unternehmerin tätig ist, "da habe ich es öft gehört". In ihren Augen ist das Unverständnis über das Ablöseverbot weit verbreitet: "Es gibt einfach Menschen, die viel und gerne auf Urlaub sind, und Menschen, die gerne arbeiten, weil sie etwa die sozialen Kontakte im Betrieb schätzen."

Ablöse käme Firmen teuer

Dass solch flexible Regelungen die Burn-out-Raten weiter in die Höhe treiben könnten, daran glaubt sie nicht: "Wir wollen ja keinen Urlaub streichen." Lorentschitsch ist überzeugt, dass Unternehmen keinen Druck auf ihre Mitarbeiter ausüben, auf Urlaube zu verzichten, sollte ihr Wunsch tatsächlich Gesetz werden. Auch nicht jene Betriebe, die sich eine Entschädigungszahlung leisten könnten. Die Kosten wären nämlich nicht unbeträchtlich. Zum normalen Gehalt würden noch Zulagen, Provisionen etc. kommen. Das heißt, die Tage müssten teuer abgekauft werden. Deshalb sei die freiwillige Basis wichtig, betont Lorentschitsch und berichtet von vielen Fällen mit 40 oder 50 Tagen an Resturlaub.

Ansprüche können auch verjähren. Und zwar zwei Jahre nach Ende des Urlaubsjahres, in dem der Urlaub entstanden ist. Bei jeder Konsumation wird immer der älteste noch offene Urlaub verbraucht.

AK: Urlaub dient der Regeneration

Klare Ablehnung erntet Lorentschitsch von der Arbeiterkammer. Das Ablöseverbot des Urlaubs sei nicht verhandelbar, sagt Doris Rauscher-Kalod, Leiterin der Arbeits- und Sozialrechtsabteilung der Arbeiterkammer Niederösterreich. "Dem Gesetzgeber war immer schon klar, dass Urlaub ausschließlich dazu dient, dass Dienstnehmer sich regenerieren können und Zeit mit der Familie verbringen können", so Rauscher-Kalod gegenüber derStandard.at. Und fünf Wochen Urlaub pro Jahr seien ohnehin ein "gerade akzeptables Maß".

Druck und Steuerlast

In einem aufrechten Dienstverhältnis ist es gesetzlich verboten, sich die Urlaubstage ablösen zu lassen. "Diese Bestimmung soll Dienstnehmer vor Dienstgeberbegehrlichkeiten schützen." Diese könnten, im Gegensatz zu Lorentschitschs Behauptung, sehr wohl Druck ausüben, warnt Rauscher-Kalod: "Wie oft haben wir in der Praxis gerade zur Urlaubszeit Anfragen von Dienstnehmern, weil der Chef aufgrund der schmalen Personaldecke nur Kurzurlaube zulässt oder Urlaubssperren verhängt oder überhaupt Betriebsurlaub verordnet."

Sollte eine Ablösemöglichkeit gesetzlich verankert werden, befürchtet sie massive Verschlechterungen für Arbeitnehmer: "Was wird dann der einzelne Urlaubstag netto wert sein, wenn der gesamte monatliche Auszahlungsbetrag für die Steuer herangezogen wird?" Deswegen deponiert sie ihr klares Nein zum Flexibilisierungswunsch: "Urlaub ist Freizeit und dient dazu, sich von der anstrengenden Arbeit zu erholen."

Gewerkschaft will sechste Urlaubswoche

Handelsobfrau Lorentschitsch will trotzdem nicht lockerlassen, auch wenn ihre Position nicht einmal innerhalb der Wirtschaftskammer akkordiert ist. Das Thema Urlaub soll am Tapet bleiben. Das hofft auch die Gewerkschaft, allerdings mit einem Kontrastprogramm. Die Interessenvertreter fordern nämlich eine sechste Urlaubswoche für alle Angestellten. In manchen Kollektivverträgen ist es bereits Standard, die Gewerkschaft wünscht sich das flächendeckend. Dass es in typisch sozialpartnerschaftlicher Manier zu einem Kompromiss – sechste Urlaubwoche gegen ein Ende des Ablöseverbots – kommt, glaubt Lorentschitsch aber nicht: "Ich bin keine Freundin von Tauschhandel." (Oliver Mark, derStandard.at, 7.8.2012)