Der "Bruckberger" in Gumpoldskirchen wurde zum Heurigen der Spaetrot- Macher.

Foto: Gerhard Wasserbauer

In der Küche steht Ausnahmekoch Harald Brunner.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es gibt Blunzen, Sulz und Rollmops. Bei den warmen Speisen sind Schweinsbraten, Surschnitzel, Backhendl und mehr vorrätig: Auf ersten Blick könnte man meinen, dass der Spaetrot-Heurige in Gumpoldskirchen eh ein typischer Vertreter seiner Art sei. Puristen aber werden dennoch ordentlich was zu sudern haben.

Zu allererst sind die Weine im Zweifel zu gut, obwohl die Gemischten Sätze in weiß oder rot um je 1,60 Euro das Achtel zumindest preislich dem entsprechen, was wahre Preistrinker zu schätzen gelernt haben.

Das Hauptaugenmerk wird bei Spaetrot aber auf die herrlich burgundisch anmutenden Cuvées aus den Gumpoldskirchner Lokalmatadoren Zierfandler und Rotgipfler einerseits und St. Laurent und Pinot Noir (hat hier 600 Jahre Tradition!) anderseits gelegt, auf die sich Johanna und Johann Gebeshuber schon des Längeren mit Konsequenz konzentrieren. Dass diese selbst in der Ausbaustufe als "Große Reserve" nur mit maximal 3,90 Euro das Achtel zu Buche schlagen, darf den Gästen aus der Großstadt durchaus zur Rührung gereichen.

So richtig in Saft gehen dürfen die Lordsiegel-Bewahrer der Buschenschankerei aber beim Essen. Zwar gibt es eine Vitrine, in der Aufschnittware vom grandiosen Freiland-Schweinehof Labonca und Vorarlberger Alpkäse von Kaes.at neben diversen Aufstrichen lagert. Der überwältigende Teil des Speisenangebots aber wird, sowas aber auch, auf Bestellung in der Küche frisch zubereitet und serviert.

Auf Vegetarier ja nicht vergessen

Dafür nämlich haben die Gebeshubers keinen Geringeren als Harald Brunner verpflichtet. Der gilt seit etlichen Jahren als einer der wirklich guten Köche im Land, irgendwie aber erwiesen sich die immer wieder kolportierten, hochfliegenden Pläne als letztlich nicht realisierbar. Umso besser, dass er sich nicht zu gut ist, der Idee des Heurigen hier wie nebenbei eine neue, schillernde Facette zu geben. Von ihm stammt die Idee, auf rare Delikatessen wie Grubenkraut und andere, von Slow Food geschützte Köstlichkeiten zu setzen. Von Johann Gebeshuber kam die Forderung, auf Vegetarier wie ihn selbst ja nicht zu vergessen.

In der Kombination ergibt das eines der verlockendsten Angebote seit Langem. Etwa vier verschiedenen Varianten von Kraut: Als Salat zu Speckknödeln in hauchzarter Hülle, als Sauerkraut zur wohl besten Knusperstelze von überhaupt, als mild saures Grubenkraut zum Spanferkelbraten und, mit Fenchel kombiniert, als knackige Fülle im Rollmops von der nach Graved-Art marinierten Gebirgsforelle. Nur soviel: Wer nicht alle vier samt Beiwerk verkostet hat, versäumt etwas. Aber auch die auf sehr erwachsene Art stinkerten Bergkäs-Pressknödel sind eine Freude, der subtil würzige Kürbis-Salat mit Vorarlberger Ziegen-Labneh (wahnsinnig gut) hat Suchtpotenzial, die Büffelmozzarella von Paget ist von bewährt sündhafter Geilheit. Was aber gar nicht geht, ist von dannen zu ziehen, ohne von der Dormayer-Blunze zu kosten, die Brunner mit selbst angesetztem Essig, Apfel und Kren auf eine Art aufmotzt, die im selben Atemzug "Heuriger!" schreit und "echt große Küche!" seufzt. So schaut's nämlich aus. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 21.9.2012)