Tiefe Reformen schlagen 300 Entscheidungsträger aus Industrie, Dienstleistung und Gewerbe auf Initiative von ÖVP-Chef Michael Spindelegger vor: Etwa
weitere Privatisierungen sowie ein Ende der Steuerbegünstigung für Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

 

Wien - Der Animationsfilm zum Auftakt überbringt gleich die Hiobsbotschaft: "Verschiedene Rankings zeigen, dass Österreich immer öfter die Position an der Spitze verliert." Dazu erklärt die ernste Stimme aus dem Off: "Es ist Zeit zu handeln!"

Am Montag wurden die Vorstellungen von 300 Entscheidungsträgern aus Industrie, Dienstleistung und Gewerbe präsentiert, mit welchen Reformen das Land bis 2025 "an die Weltspitze" gelangt. Auf Initiative von ÖVP-Chef Michael Spindelegger hatten sich die Experten seit dem Frühjahr darüber die Köpfe zerbrochen, darunter auch Siemens-Boss Peter Löscher und Gastronom Attila Dogudan.

Die "überparteiliche" Initiative schlägt teils große Veränderungen vor - etwa fürs Steuersystem, das durch Einführung eines neuen, integrierten Tarifmodells vereinfacht werden soll. Bernhard Gröhs von Deloitte, Sprecher von 2025: "Wir meinen, dass ein einfacheres System die Steuermoral hebt." Das jetzige System sei leistungsfeindlich. "Wir haben einen zu hohen Eingangssteuersatz, einen zu hohen Spitzensteuersatz."

Teil der Vereinfachungspläne ist ein Zusammenziehen der Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge. Im Zuge dessen wird auch vorgeschlagen, die Steuerbegünstigung für das 13. und 14. Gehalt abzuschaffen. Lehrer sollen laut den Plänen die gleiche Arbeitszeit wie alle Angestellten haben (40 Wochenstunden, fünf bis sechs Wochen Urlaub pro Jahr) - und Schuldirektoren nur auf Zeit bestellt werden.

Andere Neuerungen für den Bildungsbereich, die schon vor der offiziellen Präsentation durchgesickert waren, wurden zwischenzeitlich hingegen wieder gestrichen. Etwa eine Lehrer-Kernarbeitszeit von neun bis 15 Uhr sowie Volksschulbesuch nur für Kinder, die Deutsch sprechen: Letzteres war auf Expertenkritik gestoßen.

Flexibles Arbeitsrecht

Die ÖVP-Ideensammlung, die von den Experten unentgeltlich zusammengestellt wurde, setzt einen weiteren Schwerpunkt bei der Flexibilisierung des Arbeitsrechts. Bestimmungen in Kollektivverträgen sollen über Betriebsvereinbarungen umgangen werden können, Betriebe "in begründeten Fällen" niedrigere Löhne zahlen dürfen.

Für Ausländer wird ein einfacherer Zugang zum Arbeitsmarkt angedacht. Laut den Expertenplänen sollen sie leichter als bisher Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse erhalten können. Das Pensionsalter soll allgemein angehoben und der Kündigungsschutz für Unter-50-Jährige aufgeweicht werden. Dies auch bei Über-50-Jährigen zu tun, lehnt ÖVP-Chef Spindelegger ab.

Weiters schlagen die Ideenbringer eine Privatisierung aller öffentlichen Unternehmen wie Post, ÖBB, OMV und Asfinag vor: Der Staat solle sich auf Kernbereiche wie Hoheitsverwaltung und Daseinsvorsorge beschränken.

Das Persönlichkeitswahlrecht soll gestärkt werden, sodass künftig nicht mehr Parteidelegierte im Parlament sitzen, sondern persönlich gewählte Mandatare. Bei der Parteienfinanzierung sprachen sich die Experten für mehr Kontrolle aus - aber gegen eine komplette Offenlegung der Vermögensverhältnisse von Politikern.

Spindelegger zu alledem: "Vieles gefällt mir, manches gar nicht." Das Projekt sei aber "ein gelungenes Experiment". Die Steuerreform könne freilich erst "mittelfristig" angegangen werden, also in der nächsten Legislaturperiode, denn: "Das braucht eine längere Diskussion."

SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer bezeichnete die Vorschläge hingegen als "enttäuschend" und "kurzsichtig". Der von den ÖVP-nahen Expertinnen und Experten vorgeschlagene völlige Rückzug des Staates aus zentralen Infrastruktur- und Energieunternehmen sei "ein politischer Irrweg". Wohin dieser führe, habe etwa das Negativbeispiel der britischen Bahn gezeigt. (APA, nw, DER STANDARD, 9.10.2012)