"Das ist Korruption in einer Art, wie wir es in dieser Republik bisher noch nicht gesehen haben."

ÖVP-Obmann Michael Spindelegger im Interview am Institute of Science and Technology in Maria Gugging: An Studiengebühren führt seiner Meinung kein Weg vorbei. "Wer eine gute Ausbildung will, muss dafür einen Beitrag leisten."

Foto: Der Standard/Cremer

STANDARD: Als Sie das Ergebnis von Werner Faymann beim SPÖ-Parteitag gehört haben, nur 83 Prozent, haben Sie da Schadenfreude empfunden?

Spindelegger: Nein. Wir haben eine Koalition mit der SPÖ, ich arbeite mit Werner Faymann zusammen, in einer sehr ordentlichen, konstruktiven Weise. Ich empfinde keine Schadenfreude bei einem Wahlergebnis, das nicht so ausfällt, wie er es sich vorgestellt hat.

STANDARD: Kein bisschen? Sie sind immerhin auch politische Konkurrenten und stehen in einem Wettbewerb.

Spindelegger: Ich will ihm persönlich nichts Böses. Er ist der gewählte Obmann der SPÖ und hat dort sein Aktivitätsfeld. Ich möchte mit ihm inhaltlich in Konkurrenz treten. Ich will einen anderen Weg als die SPÖ aufzeigen, aber ich will Faymann persönlich nicht schaden.

STANDARD: Der Verfassungsgerichtshof prüft jetzt die Einhebung von Studiengebühren durch einzelne Universitäten und hat bereits anklingen lassen, dass er das für eine Überschreitung der Autonomie hält. Die ÖVP heißt das dennoch gut. Ist es nicht grob fahrlässig, die Unis in eine rechtlich dermaßen unsichere Situation hineinzuhetzen?

Spindelegger: Viel besser wäre es, wenn wir uns mit dem Koalitionspartner auf eine ordentliche Rechtsgrundlage einigen könnten. Das war bislang nicht möglich. Aber ich höre, dass es jetzt Bewegung gibt. Ich hoffe, dass wir das finalisieren können. Dann wäre auch eine Entscheidung, ob die Einhebung mit der jetzigen Verfassunglage möglich ist oder nicht, obsolet.

STANDARD: Der VfGH will rasch entscheiden, möglicherweise bis Dezember oder Jänner. Halten Sie es für möglich, dass die Regierung bis dahin eine Lösung findet?

Spindelegger: Die Gespräche laufen derzeit. Es besteht die Chance, dass wir das bei der Regierungsklausur am 9. November finalisieren können. Das ist jedenfalls mein Ziel. Auch die SPÖ arbeitet daran, wir wollen bis dahin eine Lösung haben.

STANDARD: Wie kann diese Lösung ausschauen?

Spindelegger: Die Lösung muss die Perspektive eröffnen, dass die Universitäten von den Studenten Beiträge einheben können. Wer eine gute Ausbildung will, muss dafür einen Beitrag leisten, das ist ein weltweiter Grundsatz.

STANDARD: Bei den Studiengebühren müsste die SPÖ einen sehr großen Schritt auf Sie zu machen.

Spindelegger: Wir müssen laufend große Schritte machen.

STANDARD: Studiengebühren sind für Sie unverrückbar?

Spindelegger: Ich glaube, dass sie unvermeidbar sind, um Standards und Niveau der Ausbildung zu erhöhen.

STANDARD: Dann müsste auch die Klientel der ÖVP, die wohlhabenderen Leute und die sogenannte Mittelschicht, einen größeren Beitrag leisten.

Spindelegger: Jeder muss einen Beitrag leisten. Jene, die es sich nicht leisten können, müssen über Stipendien die Möglichkeit erhalten, ihre Talente zur Wirkung zu bringen. Das ist gerecht! Jene, die es sich leisten können, tragen über Studienbeiträge zur Hochschulfinanzierung bei. Deswegen verstehe ich noch immer nicht, warum die SPÖ so prinzipiell gegen Studiengebühren ist.

STANDARD: Die SPÖ wüsste einen Weg, wie man die Hochschulen ausreichend finanzieren kann: Man besteuert Eigentum höher.

Spindelegger: Das ist eine fixe Idee der SPÖ. Aber dieses Geld ist schon hundert Mal ausgegeben, bevor es eingehoben ist. Was damit alles finanziert werden soll! Ein geringerer Eingangssteuersatz, die Universitäten, Forschung und Entwicklung, die Bildungseinrichtungen ganz generell. Das ist wenig realistisch. Wir haben ja die Vermögenden in Österreich nicht zuhauf, wo ich nur hingreifen brauche, und das Gold fließt. Wir haben einen großen Mittelstand, den wir aber nicht treffen wollen, und daher halte ich diese Ideen für unrealistisch.

STANDARD: Nahezu täglich präsentieren sich neue Parteien, die bei der Wahl antreten wollen. Wie sehr fühlen Sie sich bedrängt?

Spindelegger: Das wird man erst im Sommer nächsten Jahres beurteilen können. Neue Gruppierungen können bis dahin schon wieder verschwunden sein, können bei Landtagswahlen ihr Glück versucht haben und gescheitert sein.

STANDARD: Diese vielen kleinen Parteien - da ist ja auch ein ÖVP-Ableger darunter. Ist das nicht eine gefährliche Entwicklung für die etablierten Parteien?

Spindelegger: In einer Demokratie kann es vom Prinzip her nicht gefährlich sein, wenn andere Konkurrenten auf den Plan treten. Es wird dann gefährlich, wenn es sich um extreme Gruppierungen handelt, wenn diese Gruppierungen mit dem Grundverständnis eines Staates, wie wir es haben, nicht konform gehen. Das sehe ich bei diesen Gruppen nicht.

STANDARD: Dass sich Stronach eine Partei kauft, irritiert Sie nicht?

Spindelegger: Das halte ich tatsächlich für eine gefährliche Entwicklung. Man kann sich in Österreich Politik nicht kaufen, man darf sich das auch nicht kaufen können. Das irritiert mich schon sehr. Wenn es sich bewahrheitet, dass da konkrete Zahlungen in Aussicht gestellt wurden, dann halte ich das für einen unglaublichen Skandal. Das ist eine Korruption in einer Art, wie wir es in dieser Republik bisher noch nicht gesehen haben. Da müssen wir in der Politik darauf reagieren: So etwas darf nicht stattfinden.(Michael Völker, DER STANDARD, 20./21.10.2012)