Nach der Premiere von "Der größte Schatz" (v.li.): Reinwald, Stella, Olivia, Gernot und Sebastian Kranner im Raimund Theater

Foto: Peter Korp/Wr. Kinderfreunde

Die Brüder Reinwald und Gernot Kranner, im Bild als Piratenbrüder, sind sich einig: Ihre Kinder sollen beruflich einmal das machen dürfen, was sie wollen - auch, wenn sie KünstlerInnen werden möchten.

Foto: Peter Korp/Wr. Kinderfreunde

Die Cousinen Stella (14, Mitte) und Olivia Kranner (8, re.) kennen das Bühnendasein von klein auf. Dass sie ihre Eltern durch deren Beruf nur unregelmäßig sieht, stört Stella nicht: "Das ist für mich ganz normal, ich kenne es nicht anders." Die spärliche gemeinsame Freizeit genießen die Familien dafür umso mehr.

Foto: Peter Korp/Wr. Kinderfreunde

Reinwald Kranner und seine Tochter Stella (14) haben gemeinsam das Piratenmusical "Der größte Schatz" geschrieben, in dem sie derzeit mit ihrer Nichte/Cousine Olivia (8) und Bruder/Onkel Gernot Kranner im Wiener Raimund Theater auf der Bühne stehen. Im Interview mit derStandard.at sprechen die vier Familienmitglieder über den nicht ganz alltäglichen Alltag einer Künstlerfamilie: Jeder Tag ist anders geregelt, die gemeinsame Freizeit spärlich und gute Organisation alles. Und dazwischen darf das kreative Chaos herrschen.

derStandard.at: Stehen Sie als Familie das erste Mal zusammen auf der Bühne?

Reinwald Kranner: In dieser Konstellation ja, ich habe mit Stella und Olivia davor schon gespielt, Stella und mein Bruder Gernot spielten schon einmal Kindermusical zusammen und Gernot und ich standen vor 19 Jahren im Musical "Elisabeth" gemeinsam auf der Bühne - er als Anarchist Luigi Lucheni, ich als Kaiser Franz Joseph.

Gernot Kranner: Reinwald und ich reden schon seit Jahren davon, dass wir etwas miteinander machen wollen, aber da wir beide schwer beschäftigt sind, kamen wir bisher nie dazu. Jetzt im Kindermusical spielen wir zwei Piratenbrüder. Es ist ein tolles Gefühl, mit meinem Bruder gemeinsam auf der Bühne zu stehen.

derStandard.at: Wie sind Sie, Stella und Reinwald, auf die Idee zum Piratenmusical gekommen?

Reinwald Kranner: Seit Stella auf der Welt ist, spielen wir miteinander. Wenn sie als kleines Mädchen in der Früh mit den Worten "Auf, auf!" die Augen geöffnet hat, war das schon unser erstes Spiel. Wir haben Märchen gemalt, Kindermusicals nachgespielt und Geschichten erfunden. Und dann hatten wir die Idee, ein Musical über eine unserer Geschichten zu schreiben. 

Stella Kranner: Ich mochte Piraten immer schon, wir haben früher auch viele Piratenbücher zusammen gelesen. Ich wollte immer die Chefin auf einem Piratenschiff sein!

derStandard.at: Sind die Mütter auch im künstlerischen Bereich tätig?

Reinwald Kranner: Ja, meine Frau ist Maskenbildnerin in der Herrenmaske im Burgtheater.

Gernot Kranner: Die Mama meiner Kinder war früher Sängerin und ist jetzt PR-Fachfrau. Mein zwölfjähriger Sohn Sebastian singt auch, im Kinderchor der Wiener Staatsoper.

derStandard.at: Haben Sie die Kinder immer schon ins Theater mitgenommen?

Reinwald Kranner: Meine Frau hat Stella oft in der Maske dabei gehabt. Sie kennt den Theaterbetrieb seit sie ein Baby war und hat das Leben hinter der Bühne quasi von klein auf inhaliert.

derStandard.at: Hatten Sie beide als Brüder ein künstlerisches Vorbild in der Familie?

Reinwald Kranner: Unser Onkel war Komponist und Professor an der Musikhochschule in Graz. Er hat mein musikalisches Talent sehr gefördert.

Gernot Kranner: Auch unsere Mama hat uns unterstützt, wo es nur möglich war. Sie wäre, glaube ich, selbst gerne Künstlerin geworden. Mein Vater, ein Schlosser, hat akzeptiert, dass ich lieber auf die Bühne wollte, als mein Jus-Studium zu beenden, wenn es mich glücklich macht. Obwohl das in seinen Augen ein Hungerleiderjob war.

derStandard.at: Wie ist das bei Ihren eigenen Kindern: Raten Sie ihnen vom Künstlerberuf ab?

Gernot Kranner: Ich sage ihnen, sie sollen das machen, was sie gern machen.

Reinwald Kranner: Das Letzte, was ich Stella raten würde, wäre, diesen Job zu machen. Wenn sie aber glaubt, es ist für sie das Richtige, dann ist es das. Sobald sie weiß, was sie beruflich will, stehe ich hinter ihr, egal, wofür sie sich entscheidet. Mir hat man während der Ausbildung gesagt, wir würden es im Berufsleben ganz schwer haben und arbeitslos sein. Darauf habe ich gesagt: Dann möchte ich wenigstens in dem Beruf arbeitslos sein, den ich gerne mache.

derStandard.at: Sprechen Sie zu Hause viel über Kunst und das KünstlerInnendasein?

Stella Kranner: Wir erzählen uns, wie unser Tag war, aber wir reden nicht die ganze Zeit darüber.

Reinwald Kranner: Wir haben als Familie genug andere schöne Dinge gemeinsam zu erleben, da muss der Beruf nicht im Mittelpunkt stehen. Mir ist wichtig, dass wir am Boden bleiben, denn in dem Beruf hebt man sehr leicht ab.

Gernot Kranner: Olivia spricht zu Hause viel über Musical, Sebastian über Oper. Er meint immer: "Papa, Musical ist Zeitverschwendung."

derStandard.at: Stella und Olivia, wie reagieren eure MitschülerInnen, wenn ihr sagt, dass eure Väter Künstler sind?

Olivia Kranner: Ich bin noch in der Volksschule, die anderen Kinder interessieren sich da nicht so fürs Theater. Nur meine Freundinnen, die freuen sich, dass ich so eine berühmte Familie habe.

Stella Kranner: In der Volksschule bin ich ein wenig aufgefallen, weil unser Tagesablauf ganz anders war als der anderer Familien. Nicht so geregelt.

derStandard.at: Wie organisieren Sie denn Ihren Familienalltag, zwischen Proben, Schule, Auslandsgastspielen und Vorstellungen am Abend?

Stella Kranner: Als ich klein war, hatten wir viele, viele Kindermädchen, fast jeden Tag.

Reinwald Kranner: Anders war es schwierig zu organisieren, weil meine Frau und ich manchmal kurzfristig für Proben eingeteilt werden. Die ersten elf Jahre mit Stella trat ich nur in Wien und Umgebung auf, weil es anders nicht ging. Oft haben meine Frau und ich uns nur die Türschnalle in die Hand gegeben und schnell das Wichtigste ausgetauscht, immer unter Stress. Wenn die Kindermädchen kurzfristig keine Zeit hatten, kam Stella eben mit zur Probe. Je größer sie wurde, desto leichter war es.

derStandard.at: Sie wurden für zwei Jahre nach Berlin engagiert. Da war Stella elf. Wie hat das funktioniert?

Reinwald Kranner: Als das Angebot kam, habe ich sofort gesagt: "Das kann ich nicht annehmen, wie sollen wir das denn machen?" Aber Stella hat gesagt: "Papa, das musst du machen! Ich bin ja kein Baby mehr." Und sie hat das super geschafft. Wir haben viel telefoniert und geskypet.

derStandard.at: Bleibt viel von der Alltagsorganisation an den Müttern hängen?

Reinwald Kranner: Jetzt teilen wir uns die Arbeit, aber als ich in Berlin war, hatte meine Frau die volle Verantwortung. Deshalb habe ich es zehn Jahre lang vermieden, herumzureisen. Aber auch, weil ich die Zeit mit Stella bewusst erleben wollte. Dafür habe ich auch manchmal Nein gesagt zu Angeboten. Außerdem war mir wichtig, dass meine Frau nach der Karenz wieder in ihren Beruf einsteigen kann.

Gernot Kranner: Ich lebe getrennt von Sebastians und Olivias Mutter, die Kinder sind die Hälfte der Zeit bei mir, die Hälfte bei ihr. Die Aufgaben sind also gleich verteilt. Sind sie bei mir, bin ich der alleinerziehende Papa. An Vorstellungstagen komme ich manchmal erst um zwei, drei Uhr früh ins Bett, muss aber um sechs trotzdem mit den Kindern wieder aufstehen. Wir haben auch ein Kindermädchen, das uns unterstützt.

derStandard.at: Sie haben in Wien zwei Jahre en suite den Professor Abronsius im Musical "Tanz der Vampire" gespielt. Wie ging sich das mit Ihren familiären Verpflichtungen aus?

Gernot Kranner: Das war sehr schwierig. Man braucht sehr viel Vertrauen zu den Menschen, die die Kinder umsorgen und es kostet natürlich auch viel. Aber ich muss ja irgendwie Geld verdienen und die Kinder haben sich eigentlich nie beschwert und nicht darunter gelitten.

derStandard.at: Hatten Sie manchmal ein schlechtes Gewissen, wegen des Berufs zu wenig für die Kinder da zu sein?

Gernot Kranner: Wenn man Kinder hat, glaubt man immer, man müsste Tag und Nacht für sie da sein, aber das ist nicht die Realität. Das klassische, traditionelle Familienleben gibt es in fast keiner Familie mehr.

derStandard.at: Wie erlebst du das, Stella, wenn du deine Eltern im Alltag wenig siehst?

Stella Kranner: Das ist für mich ganz normal, ich kenne es nicht anders. Meine Freunde erzählen, dass ihre Eltern am Abend immer zu Hause sind, das ist für mich total komisch. Aber vielleicht ist es ja sogar besser, wenn man sich nicht die ganze Zeit sieht. In vielen Familien gehen sich die Mitglieder oft gegenseitig auf die Nerven und die Kinder freuen sich, wenn die Eltern mal weg sind. Ich freue mich, wenn sie wiederkommen. Meistens zumindest.

derStandard.at: Wie verbringen Sie Ihre spärliche gemeinsame Freizeit?

Stella Kranner: Wir machen im Sommer viel Urlaub, oft auch an dem Ort, wo der Papa gerade spielt. Aber wir machen zum Beispiel keine Wochenendausflüge.

Reinwald Kranner: Wir haben kein Wochenende! Wenn wir zufällig alle zusammen einen Tag frei haben, nutzen wir das natürlich, aber meistens bleibt es bei einzelnen Stunden. Zum Beispiel gehen wir am Samstag gerne zusammen auf den Markt.

Gernot Kranner: Immer wenn die anderen frei haben, haben wir Künstler sicher nicht frei. Ich bin froh, wenn ich einmal ein Wochenende mit beiden Kindern verbringen kann, das ist aber sehr selten. Dass wir es dann noch schaffen, uns mit Reinwalds Familie, die so kompliziert organisiert ist wie wir, zu treffen, ist fast unmöglich. Die Kinder haben aber viel und guten Kontakt untereinander. Große Familientreffen, wo auch die Großeltern dabei sind, gibt es so gut wie nie.

derStandard.at: Wie ist das mit dem Kunstgeschmack: Dürfen die Kinder auch "Trash" mögen?

Gernot Kranner: Bei uns ist alles erlaubt, die Kinder haben ganz eigene Interessen und die dürfen sie voll ausleben.

Reinwald Kranner: Das ist voll okay! Helge Schneider lieben wir zum Beispiel alle drei.

derStandard.at: Würden Sie erlauben, dass Ihre Kinder an Castingshows teilnehmen?

Reinwald Kranner: Wenn die Stella es will, soll sie es machen. Alles, was man macht, ist eine Erfahrung. Nur vom Papa abzuschauen und seinen guten Ratschlägen zu folgen, ist auch nicht gut. Wenn man das spielerisch angeht, ist es okay, ich will aber sicher keinen Kinderstar. (Isabella Lechner, derStandard.at, 16.11.2012)