"Grand Theft Auto: San Andreas: Kirk Douglas"

Foto: Gameological

"Grand Theft Auto: Saw"

Foto: Gameological

Arbeitet man in der Medienbranche, zerbricht man sich unweigerlich den Kopf über die einzelnen Publikationsformen. Als Mitarbeiter von derStandard.at ist man naturgemäß täglich mit den Eigenheiten von Online und Print konfrontiert. Ad hoc neigt man dazu wie ein Maschinengewehr die Unterschiede zu rezitieren, aber die reflektiertere Erkenntnis besagt, dass Journalismus keine Frage des Mediums ist. Wenn ich jedoch ein universelles Unterscheidungsmerkmal von Online-Journalismus zu allen anderen Branchengattungen nennen müsste, dann ist es die Titelgestaltung.

Auf den Punkt gebracht

Während sich Kollegen von Print, TV und Radio bei der Kreation ihrer Überschriften gerne einmal in Metaebenen begeben dürfen, ist ein Titel ohne erfassbare Schlagworte online leider nichts wert. Wo im Print oder Fernsehen ein Titel zusammen mit einem Bild oder einem Subtext wirken kann, hat man online meist nur wenige Zeilen Platz, um einen Artikel oder ein Video anzuteasern. So merkwürdig es klingt: Bei dicht gedrängten Übersichtsseiten, Twitterfeeds, Google News und Suchmaschinenalgorithmen ist der Platz gerade in den unendlichen Weiten des Internets enorm beschränkt. Ein ebenso bedauerlicher wie berechenbarer Umstand. Oft entscheidet der Titel allein, ob ein Artikel gelesen wird oder untergeht.

Der Titel macht die Musik

Das ist nicht immer leicht zu akzeptieren, vor allem dann, wenn es um komplexere Zusammenhänge geht. Es ist auch ein Grund, weshalb Online-Titel nicht selten besonders zugespitzt formuliert werden und man dazu neigt, Schlagwörter zu fokussieren. Es ist eine Einschränkung, die erfinderisch und nachdenklich zugleich macht. Schließlich will man sich auf die Inhalte konzentrieren und nicht darüber nachdenken, wie man am besten von Suchmaschinen erfasst wird.  

Unter Kollegen nimmt man es mit Humor und tüftelt gerne an ultimativen Titeln, die bei Lesern und Suchmaschinen alle Alarmglocken leuten lassen würden. "Paris Hilton spielt mit Android-Phone auf Steve Jobs Beerdigung", wäre beispielsweise ein sehr guter Weg, um sich in Sekunden an die Spitze der Klickcharts, Twitter-Trends und Google-Ranglisten zu gelangen.

Der ultimative Spieletitel

Umso mehr schmunzeln musste ich, als ich - ob meiner chronologischen Vergesslichkeit mit viel Verspätung - Joe Keisers Bericht über "Africas Pirate Hacks" aus meiner endlos langen Leseliste fischte.

Dieser zeitlose Artikel über kuriose Schwarzmarktfunde ist nicht nur der beste Beweis dafür, dass Videospielpiraten sehr einfallsreich sein können, sondern erscheint nachträglich betrachtet auch wie eine Offline-Persiflage des Suchmaschinenoptimierungswahns.

Jigsaw in San Andreas

Keisers Besuch in Nairobis Shopping-Center "Diamond Plaza" förderte ebenso absurde wie fantastische Hacks von PlayStation 2-Spielen aus aller Welt zu Tage. Und wie bei der hypothetitschen Suche nach dem ultmiativen Online-Titel scheinen die Piraten auch hier auf der Suche nach dem perfekten Köder für ihre Ware gewesen zu sein.

"Grand Theft Auto" ist beispielsweise an sich schon ein beliebtes Spiel, genauso wie "Saw" ein populärer Horrorfilm ist. Wie cool wäre es dann, wenn sie "Grand Theft Auto: Saw" spielen könnten? Allien der Titel verlockt schon zum zücken der Brieftasche. Da macht es auch nichts, dass das tatsächliche Spiel nichts weiter als "GTA: San Andreas" mit Jigsaw anstelle des ursprünglichen Protagonisten ist.

Battlefield Japan

Und was würden Sie erst zu "Grand Theft Auto: San Andreas: Kirk Douglas" sagen, wenn Sie der halbnackte Douglas Senior vom Spiele-Cover anspringt? Auch sehr schön: Die "Battlefield 2: Special Forces"-Verpackung für ein komplett aus dem Zusammenhang gerissenes japanisches Videospiel.

Grandiose Funde und Titel, die offline wie online daran erinnern, dass es schlussendlich auch in der Zeit der 140-Zeichen-Nachrichten und Google-Algoritmen nicht auf die Verpackung, sondern auf die Inhalte ankommt. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 6.4.2013)

Die Top 5 der Woche

  1. Disney schließt "Star Wars"-Spielentwickler LucasArts 
  2. Sterblichkeit, das große Tabu in Videospielen 
  3. "BioShock Infinite" im Test: Am Abgrund einer fliegenden Stadt 
  4. Wie Spiele für PC und PS4 einmal aussehen könnten 
  5. Microsoft-Entwickler zum möglichen Online-Zwang der Xbox 720: "Findet euch damit ab"