Es gibt wenige Speisen, die so schwer hinzukriegen sind wie ein guter Burger. Das Problem mit ihm ist, dass zu viele Dinge schiefgehen können: Das Fleisch kann nicht recht schmecken, eine schlechte Konsistenz haben oder zu sehr durchgegart sein, das Weckerl kann zu trocken, zu weich oder zu hart, die Sauce geschmacklich missraten sein. Weil all seine Teile, einmal vereint, fast untrennbar zu einer Einheit verschmelzen, reicht es, wenn einer missglückt, um das Gesamterlebnis nachhaltig zu stören. Und selbst wenn alles für sich genommen schmeckt, kann dem Gesamtkunstwerk die Balance fehlen.

Seit es diesen Blog gibt, habe ich mich mehrmals an dem perfekten Burger versucht. Ich habe verschiedene Fleischteile wie Hals, Herzzapfen und Beinfleisch getestet, das Fleisch vor und nach dem Faschieren gesalzen, in Algen gewickelt, Algen mitfaschiert, die Laberln gegrillt und gebraten – mit keinem Ergebnis war ich richtig zufrieden. Nun habe ich ausgenutzt, dass ich einem Meister des Burgermachens sehr nahe gekommen bin: Ryan Farr vom 4505 Meats in San Francisco.

Foto: Tobias Müller

4505 Meats ist vor allem eine Fleischerei, die nur ganze Tiere verarbeitet. Weil dabei einige Abfälle anfallen, begann Farr bald, aus all den Resten Burger zu faschieren und auf San Franciscos Bauernmärkten zu verkaufen – mit großem Erfolg. Als das Online-Fressmagazin "Eater" vor ein paar Wochen seine Leser über Twitter nach dem besten Burger der USA fragte, wurde der des Herrn Farr am häufigsten genannt – und da könnte durchaus etwas dran sein.

Zu viele Geschmäcker stören

Wenn es um Burger geht, bin ich wie bei Pizza ein Purist: Zu viele Geschmäcker, Ein- oder Auflagen stören meiner Meinung nach das Gesamterlebnis. Mein ultimativer Burger ist intensivst fleischig und ein wenig käsig, bei seinem Genuss soll der Saft wollüstig über die Finger rinnen. Etwaige weitere Einlagen sollen sich meiner Meinung nach nicht in den Vordergrund drängen, sondern nur das Fleisch, den Star des Burgers, unterstützen. Der 4505 Meats Cheeseburger entspricht dem ziemlich genau. Sein Konzept: gereiftes Fleisch, viel Fett, eiskalt faschiert, keine störenden Beilagen und ein Butterbrioche, das in noch mehr Butter gebraten wurde.

Leider ist es sich für mich nicht ausgegangen, mit Mr. Farr zu kochen, ich konnte nur mit ihm reden – die Fotos zeigen also diesmal nur seine Vollstrecker und die beachtliche Schlange, die sich gegen 12 Uhr vor seinem Burgerstand einfindet.

Foto: Tobias Müller

Das Fleisch

Es gibt leidenschaftliche Debatten darüber, welche Teile des Rinds in einen Burger gehören. Das 4505 beweist aber: Es ist relativ egal, Hauptsache, der Fettgehalt stimmt. Farr nimmt, was gerade übrig ist, vom Steakumgebungsfleisch bis hin zum Bauch. Wie für Wurst gilt dabei stets auch für den Burger: Das Verhältnis von Fett zu Fleisch sollte bei etwa 1:2 liegen, also ein Drittel Fett auf zwei Drittel Fleisch.

Hier zeigt sich, dass Fleischer die besseren Burgermacher sind. Weil der Heimkoch meist nicht über ausreichend Fleischabfällle verfügt, muss er sich anders behelfen und zukaufen. Praktisch ist eine Mischung aus einem Teil Herzzapfen und zwei Teilen Beinfleisch: Der Zapfen ist billig und schmeckt besonders kräftig, das Beinfleisch steuert das nötige Fett bei. Idealerweise ist beides gereift – die Stücke des 4505 sind meist 21 Tage abgehangen. Das liegt allerdings eher daran, dass das Geschäft keine ausreichend großen Kühlräume hat, um sein Fleisch länger zu lagern. Wer kann, der lässt sein Rind gern acht Wochen reifen.

Foto: Tobias Müller

Die Einlagen

Das 4505 serviert je nach Jahreszeit zwei Arten von Burger: Zehn Monate im Jahr kommt nur eine Scheibe Gruyère hinein. Im Hochsommer aber, wenn die Tomaten richtig reif sind, packt Farr eine dicke Scheibe von ihnen mit zwischen seine Laberln. "Wenn sich der Tomatensaft mit dem des Fleisches mischt, ist das das ultimative Geschmackserlebnis", sagt er. Er kauft die Früchte bei den Bauern neben seinem Stand und nimmt nur solche, die zwischen dem Feld und dem Burger nie einen Kühlschrank von innen gesehen haben.

Ich persönlich bin nach der Feldforschung in Kalifornien zu dem Schluss gekommen, dass ich Pilze in meinem Burger mag – diese Leute hier haben sogar eine wissenschaftliche Erklärung dafür.

So machen reife Tomaten den Burger so gut, weil sie viel Glutamat enthalten und so seinen Umami-Faktor steigern. Glutamat ist allerdings nicht allein für Umami verantwortlich: Es ist nur einer von drei Stoffen, die für das Wohlgefühl sorgen. Kombiniert man sie miteinander, soll der Effekt, den sie haben, drastisch verstärkt werden. Mit Pilzen kann man noch einen Schuss Guanosin, einen weiteren Umami-Verantwortlichen, hinzufügen. (Der dritte ist Ionosin und ist etwa im Rindfleisch vorhanden.) Sehr gut eignen sie sich geräuchert als Burgerauflage, alternativ können sie auch einfach in Butter gebraten werden.

Foto: Tobias Müller

Wer einen zusätzlichen Pilzkick will, kauft noch ein halbes Kilo extra. Vierteln Sie sie, salzen Sie sie ordentlich und packen Sie sie über Nacht in eine Stoffserviette oder ein Geschirrtuch, das Sie in ein Sieb über einen Topf legen. Das Salz zieht die Flüssigkeit aus den Pilzen, am nächsten Tag können Sie sie ausdrücken, das Pilzwasser reduzieren und zu ihren gebratenen Genossen kippen.

Foto: Tobias Müller

Das Brot

Das 4505 serviert seinen Burger in einem ganz außergewöhnlich guten Brioche, das unter dem Namen "Josh's Butter Bun" firmiert. Das Rezept stammt von einem befreundeten Bäcker (Josh) und zeichnet sich, wie der Name vermuten lässt, durch die großzügige Verwendung von Butter aus. Um es trotzdem möglichst flaumig zu bekommen, wird der Briocheteig nach dem Gehenlassen nicht noch einmal geknetet, so dass mehr Gase im Teig bleiben. Der obere Teil wird mit einer Mischung aus weißem Sesam und schwarzen Zwiebelsamen bestreut, vor dem Servieren wird es in noch mehr Butter am Grill knusprig gebraten. Das genaue Rezept des Brioches wollte der Herr Farr leider nicht teilen. Weil es hier an ähnlicher Stelle bald mehr zum Brioche geben wird: Suchen Sie vorerst anderswo nach einem, das Ihnen gefällt.

Das Faschieren

Das Faschieren ist das vielleicht größte Hindernis, das zwischen dem Heimkoch und einem guten Burger steht. Wie bei der Wurst sollte auch beim Burger sowohl Faschiergut als auch Faschiergerät möglichst kalt sein, damit das Fett auch wirklich geschnitten und nicht ins Fleisch geschmiert wird. Ist es beim Faschieren zu warm, rinnt das Fett beim anschließenden Burgerbraten zu sehr aus, zurück bleibt mitunter ein trockenes Laberl. Zudem sollte das Fleisch nicht zu fein faschiert werden, wie das in Österreich oft üblich ist – der Esser soll beim Kauen merken, dass er Rind isst und nicht Fleischbrei. Das 4505 verwendet eine Faschierlochgröße von knapp 5 Millimetern.

Falls Sie keinen professionellen Fleischwolf haben (Amateurgeräte sind für zähes Burgerfleisch ungeeignet, leider) und Ihr Fleischer zu heiß oder kleiner faschiert, gibt es auch eine anstrengende, aber ziemlich gute Alternative: Faschieren Sie Ihr Fleisch von Hand mit einem wirklich scharfen Messer, so wie ein Beef tartare. Ich habe das das erste Mal mehr aus Not als aus Tugend gemacht, das Ergebnis war überraschend gut.

Würzen?

4505-Meats-Chef Farr würzt seine Burger mit nichts außer Salz, und das erst ganz am Ende vor dem Grillen. Er formt seine Laberln relativ dünn (dünner, als ich es mag, ich nehme deswegen bei ihm den doppelten Burger), weswegen sie trotz des späten Salzzeitpunkts gleichmäßig gewürzt sind. Wer ein dickeres Laberl machen will, salzt am besten vor dem Faschieren, nachdem das Fleisch einmal grob gewürfelt wurde. Anschließend darf es idealerweise noch ein paar Stunden ziehen. So verteilt sich das Salz gleichmäßig im Faschierten, ohne dass man es nachher allzu viel kneten muss – und sich so seine luftig-leichte Konsistenz zerstört.

Foto: Tobias Müller

US-Starkoch Wylie Dufresne mischt sein Fleisch für den Extra-Glutamatkick mitunter mit Algen. Ich habe das, siehe oben, versucht – das Ergebnis war nicht schlecht, aber auch nicht überzeugend.

Das Finale

Braten oder grillen Sie das Fleisch kurz bei sehr hoher Hitze und lassen Sie es dann ziehen, bis es Medium Rare ist. Legen Sie derweil eine Scheibe Gruyère zum Schmelzen darauf. Braten Sie Ihr Butterbrioche in noch mehr Butter knusprig, belegen Sie es mit Pilzen, Fleisch und im Hochsommer mit einer dicken Scheibe Tomate und essen Sie es unverzüglich. Das 4505 packt noch etwas Zwiebel, ein Blatt knackigen Salat und einen Klecks seiner hausgemachten 1000 Island Sauce dazu. Schadet nicht, muss aber meiner Meinung nach auch nicht sein. (Tobias Müller, derStandard.at, 5.5.2013)

Foto: Tobias Müller