Weiter drei Architektur-Master in Wien, aber den Bachelor nur noch an der TU, empfiehlt Ex-Akademie-Rektor Carl Pruscha.

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STANDARD: Sie wohnen in Wien, aber auch im Burgenland - dort im "Alten Schloss" in Gattendorf. Ist so ein Schloss ein Traum für einen Architekten oder eher ein andauernder Albtraum als Lebenstraum?

Carl Pruscha: (lacht) Das ist eine böse Frage. Das ist kein Schloss! Als ich 1974 nach zehn Jahren aus Nepal nach Österreich zurückkam, wollte ich ein Haus bauen. Aber diese gesetzlichen Vorschriften, dass man ein Grundstück von mindestens 500 Quadratmetern braucht, wo man in die Mitte - nicht am Rand - ein Haus bauen könnte oder müsste, waren für mich absolut unerträglich. Also habe ich ein altes gesucht - und einen Getreidespeicher entdeckt, der "Altes Schloss" hieß. Das war eine Ruine, kaputt, mit schönem großem Garten dazu - das habe ich im Lauf der Jahre ausgebaut. Die Nutzung des Obergeschoßes als Getreidespeicher - Getreide als reinste Form der Energie - war für mich ein schöner symbolischer Reinigungsmechanismus, der all das, was dort vielleicht schlecht war, eliminierte. Somit war das der ideale Ort, mich niederzulassen.

STANDARD: Apropos Umbau: In der Akademie der bildenden Künste, deren Rektor Sie von 1988 bis 2001 waren, steht eine Generalsanierung an. Ein reizvolles Projekt für den Architekten Pruscha?

Pruscha: Ich habe mich seit meinem Weggang von der Akademie nie mehr zu ihr geäußert, weil man das der neuen Generation überlassen soll, aber das hat mich wirklich entsetzt. Ich habe die Akademie in erstklassigem Zustand hinterlassen, extrem gut gepflegt und restauriert, und ich habe den Raumbedarf der Akademie verdoppelt, dazu gehörte zum Beispiel die Sanierung des Semperdepots. Somit ist mir der Plan der BIG (Bundesimmobiliengesellschaft, Anm.), die meiner Meinung nach salopp gesagt ein gangsterhaftes Verhalten zeitigt, wenn sie jetzt 40 Millionen Euro Steuergelder in die Sanierung des Akademiegebäudes am Schillerplatz stecken will (siehe Artikel "WU soll als Ausweichquartier für Akademie und Angewandte dienen"), unverständlich. Absurd. Ich verstehe nicht, was die mit dem vielen Geld machen. Das ist mir ein Rätsel.

STANDARD: In Ihrer Kenntnis der Substanz der Akademiegebäude ...

Pruscha: ... ist das Verschwendung! Man kann ein historisches Gebäude nicht in einem Satz mit viel Geld renovieren. Da macht man es nur kaputt. Man muss es langsam, Schritt für Schritt, herrichten. Und man braucht schon gar keine Architekten, geschweige denn einen Architektenwettbewerb.

STANDARD: Sie fürchten, die historische Architektur wird zerstört?

Pruscha: Na sicher, zumindest gestört. Aber was mich vor allem stört: Mit diesen "Gangstern" von der BIG kann man nicht reden. Die sind wie alle Kommerzeinrichtungen darauf aus, Geld zu vergeuden oder zu investieren. Anders verhält es sich an der Universität für angewandte Kunst. Da besteht sicher die Notwendigkeit einer räumlichen Verbesserung und Erweiterung, aber an der Akademie am Schillerplatz ist es sinnlos, da viel Geld hineinzuschießen.

STANDARD: Für die Uni-Angehörigen beider Häuser bedeutet die Zeit des Umbaus: raus aus dem Haus.

Pruscha: Das ärgert mich besonders, dass die Studierenden der Akademie und der Angewandten dann in das - wie Wolf D. Prix treffend sagte - hässlichste Gebäude, das es in Wien überhaupt gibt, nämlich in die alte Wirtschaftsuniversität, hineingepfercht werden. Das ist ja ein politischer Gag. Nun, wenn die Künstler glauben, sie können dort wüten wie die Berserker, und es abbruchreif machen, wenn das quasi ein Konzept des künstlerischen Ausdrucks ist - Motto: Wie wehre ich mich gegen hässliche Architektur? -, dann okay. Für die Architekturausbildung ist dieses Ambiente keine gute Idee - eine Infamie.

STANDARD: Haben Sie einen anderen, einen besseren Vorschlag?

Pruscha: Die Architekturschulen der Angewandten und der Akademie sollten sich weigern und stattdessen gemeinsam ins Semperdepot gehen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass man dort, wenn nicht alle Räume im Erdgeschoß genutzt würden, Dietmar Steiners Idee aufgreift und auch das Architekturzentrum unterbringt - und ein Haus der Architektur schafft. Das wäre eine Chance für die Architektur generell.

STANDARD: In Wien gibt es drei Standorte, wo man Architektur studieren kann: Akademie, Angewandte und TU - dazu kommen noch die Uni Innsbruck und die TU Graz. Braucht Österreich so viele Architekturstudienorte?

Pruscha: Als ich in den 1960ern Architektur studiert habe, musste ich, bevor ich an der Akademie die Meisterschule besuchen konnte, an der damaligen Technischen Hochschule (seit 1975 Technische Universität Wien, Anm.) die technischen Fächer absolvieren und die sogenannte erste Staatsprüfung machen. Das war eine gute Idee. Dort waren Statik, Mathematik, Geometrie, alle Grundfächer an der TU und an der Akademie die Meisterklasse. Genau dasselbe müsste man heute wieder einführen.

STANDARD: Was heißt das konkret?

Pruscha: Man hätte zwei Architekturschulen der Angewandten und der Akademie, die nur mehr ein Masterstudium anbieten - und die Bachelorausbildung sollten vorher alle an der TU absolvieren. Danach sollen die Studierenden, die wirklich künstlerisch hervorragende Fähigkeiten haben, die Möglichkeit haben, an eine der beiden künstlerischen Meisterschulen ins Semperdepot zu gehen, oder an der TU weiter den Master oder ein Doktorat machen.

STANDARD: Die Akademie soll es also machen, wie die Angewandte das 2011 getan hat, und den Bachelor streichen bzw. auslagern?

Pruscha: Ja, den Bachelor gibt's dann dort nicht mehr. Weg damit! Das ist ja völlig absurd, dass man das alles dreimal hat. Es würde voll und ganz genügen, wenn die zwei nur einen Master anbieten.

STANDARD: Aber dreimal Architektur-Master wäre sinnvoll?

Pruscha: Mit klar definierten Schwerpunkten - ja. Die TU kann weiter auf bestimmte Technologien setzen. Die Angewandte muss sich erst wieder neu erfinden. Sie hat mit der ausgezeichneten Initiation von Wolf Prix wirklich eine der besten Architekturschulen Europas etablieren können, die sich auf experimentelles Design spezialisierte. Aber Prix ist weg, die Schule ist kaputt. Für die Meisterschule an der Akademie wäre das Thema, zu dem ich noch eine Schule aufgebaut habe und nach der mein Büro benannt ist - "Habitat, Environment and Conservation" - sehr spezifisch. Bauen in historischem Ambiente wird ein ganz wichtiges Fach werden. Es gibt enormes Potenzial an Volumina in ganz Europa - Kirchen, Industriebauten, Bahnhöfe, Amtshäuser usw. -, für die eine neue Nutzung erfunden werden muss und die adaptiert werden müssen.

STANDARD: Die TU darf erstmals für das Wintersemester 2013/14 Aufnahmeverfahren in Architektur durchführen, falls sich mehr Leute als die gesetzlich festgelegte Mindestzahl anmelden. Sie verzichtet aber darauf, weil sie sagt, diese Zahl stehe in keiner Relation zu den tatsächlichen Kapazitäten, es sei eigentlich egal, ob mit oder ohne Aufnahmeverfahren. Sollte sie in Zukunft, wenn alle Bachelor-Studenten kommen würden, auswählen müssen?

Pruscha: Das ist eine politische Entscheidung. Sie wird natürlich entsprechende Ressourcen bekommen müssen. Ich glaube, dass es auf dem Gebiet des Bauens nur gut ist, bevor die Baumeister alles an sich raffen, wenn junge Leute auf der Implementierungsebene besser ausgebildet sind. Und ich glaube, dass, wenn die Leute eine gewisse Vorbildung haben, also den Bachelor, eine Auswahl viel einfacher zu treffen ist und man die wirklichen Talente besser erkennt, als wenn man sie vom Gymnasium holt, wenn sie keinen Tau haben und einfach träumen. Da kann man natürlich Glück haben, dass man den einen oder anderen findet, der ein Genie wird, aber meistens verliert sich das. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 10.5.2013)