Sehnsuchtsort Osteria Garsun im Enneberger Tal: Mamma Luisa Obwegs (75) kocht, Tochter Maddalena serviert handgemachte ladinische Küche.

Foto: M. Corti
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Foto: Archiv von NIka Zupanc

 Als patriotischer Tiroler findet man sicher noch Gründe, sich über die Italiener aufzuregen. Als Liebhaber der Tiroler Küche aber muss man den Welschen aus tiefer Seele dankbar sein. Das erkennt jeder, der tagein im Norden und tagaus südlich des Brenners einkehrt: Echt gute, handgemachte Tiroler Küche, von Krapfen bis zu Tirtln, von Schlutzern bis zu Knödeln, wird im Zweifel viel eher im verlorengegangenen Teil der Heiligkeit aufgetischt.

Und zwar immer öfter auf eine Art, wie man sie aus Italien kennt und liebt. Als mündlich von Wirt oder Wirtin vorgetragene Speisefolge zu mehr als gesittetem Preis nämlich, dafür durchaus mit der Möglichkeit, bei Bedarf um Nachschlag zu bitten. Schmales Angebot, das dafür exakt im Rhythmus der Jahreszeit getaktet und handgemacht. Schon seltsam, dass derlei bei Tiroler Stammesangehörigen als ganz selbstverständlich gelten darf - nur halt jenseits der Alpen.

Gekocht wird nur auf Voranmeldung

Die Ostaria Garsun von Familie Obwegs im ladinischen Teil Südtirols, eine Stunde vom Brenner wie auch von Osttirol entfernt, macht das auf herzerwärmende Art vor. In der Küche steht Mutter Luisa, die sich durch ihre 75 Jahre nicht abhalten lässt, die Teige für Krapfen, Pasta, Tirtln selbst anzusetzen und auch sonst mit resoluter Hand das Regiment in dieser bescheidenen, stimmungsvollen Wirtschaft zu führen.

Gekocht wird nur auf Voranmeldung, wobei es aber genügt, am Vormittag anzurufen, um abends essen zu können. Auf 1200 Meter Seehöhe kann Luisa Obwegs nur mit einfachsten Grundprodukten kochen, umso beglückender ist, zu sehen, was sie daraus formt. Gerstensuppe mit Bohnen und Wurzeln ist vom Speck zartrauchig, wunderbar bissfest und wird mit federleicht frittiertem Tultres serviert, wie die mit Spinat gefüllten Tirteln in dieser faszinierenden Sprachinsel heißen. Schlutzer nennen sich hier Canci und werden in Miniaturversion gefüllt, sodass sie eher an Tortellini erinnern. Der Teig hauchdünn, die Topfen-Erdäpfel-Fülle feist und saftig, die Butter reichlich. Zum Drüberstreuen gibt es entweder lokalen Hartkäse oder, für das Tal typisch, gerösteten Mohn, der dem Gericht eine sehr spezielle, erdige Eleganz verleiht.

"Weiche Krapfen" mit Preiselbeeren

Crafuns mori oder "weiche Krapfen" werden mit Ragù aufgetragen, unfassbar flaumige, von vielen Dottern tiefgelb gefärbte Dinger sind das. Zum Dessert dürfen sie übrigens mit köstlich bitter prickelnden Preiselbeeren ("Granetes") noch einmal raus.

Davor kommt aber erst einmal die Hauptspeise, eine mürb gebratene Schweinsstelze in weinigem Saftl, sehr, sehr gut, dazu Bratkartoffel und einen Krautsalat von einer Finesse, wie unsereins Hinterbergler sie nie für möglich halten würde - dabei ist da "gar nix dran" als Olivenöl, Salz, Kümmel und ein Seufzer Weinessig, wie Luisa bekräftigt. Der Preis für ein frugales Mahl wie dieses ist unten stehend nachzulesen - Tiroler aus dem Norden seien gewarnt: Er wird ihnen die Schamesröte ins Gesicht treiben. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 16.08.2013)