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Ein Leben in Saus und Braus. Aber wie lange noch? - Buhlschaft (Brigitte Hobmeier) ...

Foto: APA/BARBARA GINDL

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... und ihr Jedermann (Cornelius Obonya), das Traumpaar der Salzburger Festpiele.

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STANDARD:  Im Salzburger Lokal Triangel, das Speisen nach Festspielstars benennt, ist Cornelius Obonya Namensgeber für Saure Wurst, Brigitte Hobmeier für Süße Variationen ...

Hobmeier: ... ja, das war witzig, aber als ich "einmal Brigitte Hobmeier bitte" bestellt habe, wusste die Kellnerin nicht, was das ist.

STANDARD:  Ist das Traumpaar der diesjährigen und nächsten Festspiele auch so unterschiedlich wie saure Wurst und Süßspeise?

Hobmeier: Ich finde, wir haben gut zusammengearbeitet, auch gekämpft, gestritten, viel gelacht. Dass nicht jeder seinen eigenen Schmarrn spielt, sondern dass man gemeinsam etwas entwickelt, ist mir wichtig. Und es ist gar nicht so leicht. Es ist viel leichter, seinen eigenen Stiefel unbeeinflusst runterzuspielen.

Obonya: Stimmt, da muss man von sich und seinen eigenen Ideen absehen. Auch ich hatte Vorstellungen, die nicht ins Konzept passten oder mit Kollegen nicht zusammengingen.

STANDARD:  Vierzehnmal "Jedermann" in sechs Wochen: Froh, dass es nun zu Ende ist?

Hobmeier: Mir hat es wirklich Spaß gemacht. Wir waren ja anfangs nicht unbedingt von den besten Wünschen begleitet. Das spürt man natürlich. Umso schöner war die Erleichterung nach der Premiere. Ich habe jedenfalls noch nie eine so außergewöhnliche Premiere erlebt, das war ja fast ein Staatsakt.

Obonya: Der Druck kam in Wellen, aber wenn man dann droben steht und die ersten Sätze sagt, ist dieser Druck weg. Man weiß, jetzt ist man dafür verantwortlich, dass da unten tausende Menschen ein schönes Erlebnis haben.

STANDARD:  Hatten Sie reale Vorbilder für Ihren Jedermann?

Obonya: Es gab zwei, drei Leute, die mir durch den Kopf gingen. Es gibt ja Menschen, die ihrer Freundin zum 30. Geburtstag den Porsche vor die Tür stellen. In unserem "Jedermann" herrscht das Prinzip: Geld ist Ordnung, kein Geld ist Chaos. In dieser entsolidarisierten Gesellschaft kommen dann Argumente wie: "Jeder ist seines Glückes Schmied." Um diese Gedankenlosigkeit im Wohlleben ging es den Regisseuren Julian Crouch und Brian Mertes.

Hobmeier: Für einen Machtmenschen ist es vielleicht noch grausamer zu begreifen, dass er allein gehen muss und nichts von dem, was ihm Macht verleiht, mitnehmen kann. Der Mammon sagt: "War dir geliehen für irdische Täg und geh nit mit auf deinen Weg, geh nit, bleib hier, lass dich allein ..."

STANDARD:  Beeinflussten Sie Ihre unmittelbaren Vorgänger Birgit Minichmayr und Nicholas Ofczarek?

Hobmeier: Ich glaube nicht, dass man unbeeinflusst durchs Leben gehen kann oder sollte. Gestern hat mir eine Dame gestanden, sie habe ja noch Curd Jürgens und Senta Berger gesehen und möchte sich diese Interpretation nicht kaputtmachen lassen. Ich kann und will ja gar niemanden ersetzen. Irgendwie hat mich das traurig gestimmt.

Obonya: Natürlich wollte ich wissen, wie vorhergegangene Inszenierungen ausgesehen haben; und ich habe kein Problem, mir von Kollegen etwas an- und abzuschauen.

Hobmeier: Ein Freund schickte mir eine Definition aus einem Universallexikon von 1857, wonach Buhlerei das Bestreben sei, das sinnliche Wohlgefallen anderer durch Handlung, Miene, Kleidung etc. auf sich zu ziehen. Birgit hat die Buhlschaft als kühlere Frau gespielt, vielleicht war es deshalb leichter für mich, meine eigene Idee zu verfolgen: Lebenslust, Genießenwollen, dem Jedermann nah im Lebensrauschprinzip.

STANDARD:  War es schwierig, dieses doch sehr österreichische Stück und die mitunter eigentümlichen Knittelverse mit englischsprachigen Regisseuren zu erarbeiten?

Obonya: Beide waren bestens vorbereitet. Aber manchmal muss man von einem Regisseur einen Satz in einem verständlichen deutschen Klang hören, um zu wissen, wohin es gehen sollte. Da hatten wir in Sven-Eric Bechtolf eine wunderbare Hilfe.

Hobmeier: Es ist ja gar nicht so leicht, diese Sprache aus dem Gepolterrhythmus rauszukriegen. Das ist das Spannende, wenn man einen Satz vor sich hat und sich fragt: Wo hauche ich dir Leben ein, wie dehne ich deinen Sinn?

Obonya: Das ist Detektivarbeit. Und ich bin unglaublich dankbar, weil so viele Menschen berührt sind von dem, was wir machen. Da ist uns ein Treffer gelungen, wie er von uns erhofft wurde.

STANDARD: Haben Sie sich durch das Stück intensiver mit dem eigenen Glauben beschäftigt?

Hobmeier: Man tut das Stück ja gern ab und sagt: "Ah ja, christliche Philosophie, kennen wir. Nervig." Aber das stimmt nicht. Die christliche Philosophie und das ganze Konfessionslabyrinth ist nicht so leicht. Als wir mit den Proben begannen, hatte sich ein sehr guter Freund von einem der Regisseure umgebracht; vom anderen ist der Vater gestorben; Connys Vater hatte am Tag der ersten Leseprobe Todestag. Da kommt einer und sagt: "Ich nehme dich mit." Da ist es völlig egal, ob du Atheist, Buddhist, Hinduist, Jude oder Muslim, reich oder arm bist. Am Grab eines lieben Menschen sind alle gleich. Und wenn wir zwei uns jetzt was einbilden würden auf den Wirbel rund um den Jedermann, dann hätten wir das Stück nicht kapiert. Denn irgendwann erbt's und spielt's ein anderer.    (Andrea Schurian, DER STANDARD, 30.8.2013)