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Der Freier, das unbekannte Wesen? Das wenige, was man über ihn weiß, lässt nicht gerade darauf schließen, dass er ein aufgeklärtes Verhältnis zur Prostitution hat.

Foto: APA/dpa/Salome Kegler

Mit Susanne Riegler und Tina Leisch haben sich letzten Monat auf dieStandard.at zwei engagierte Frauen zum Thema Sexarbeit/Prostitution zu Wort gemeldet, die die ganze Unversöhnlichkeit und Gegensätzlichkeit von Pro und Kontra in dieser Debatte auf den Punkt brachten.

Und noch mehr haben sie die Widersprüchlichkeit einer möglichen Haltung aufgezeigt, die zwischen Befürwortung und Ablehnung schwankt und mit der ich mich identifiziere: Ich bin gegen die gesellschaftliche Ächtung von Prostituierten und gleichzeitig gegen die Möglichkeit, diesen Beruf jemandem beim Jobcenter, dem AMS oder ähnlichen Stellen zuweisen zu können. Ich bin gegen das Verbot der freien Berufswahl, mit Sexarbeit Geld zu verdienen, und gegen jede Form von Zwangsprostitution.

Frauen gegeneinander ausgespielt

Aber wie kann ich mich gegen etwas verwehren, ohne dass mir diese Geste zwangsläufig als Ablehnung aller mit der Sache beteiligten Personen ausgelegt wird? Denn tatsächlich ist sehr heikel, wenn mit Verweis auf die Möglichkeiten des Missbrauchs und der Kriminalität Frauen der freie Zugang zu einem Beruf ihrer Wahl verwehrt wird - selbst wenn diese Möglichkeiten übermächtig und allgegenwärtig erscheinen.

Derzeit läuft es so, dass Frauen, die sich aus freien Stücken dazu entscheiden, der Prostitution nachzugehen, an der Lage von Zwangsprostituierten gemessen werden. Und die unmittelbare Not von Zwangsprostituierten wird mit Verweis auf freie und selbstbestimmte Frauen im Gewerbe relativiert.

Was ist mit den Männern?

Mich stört daran, dass diese Debatte scheinbar Frauen gegeneinander ausspielt, ohne die Beteiligung von Männern an der ganzen Sache in den Blick zu nehmen. War da nicht mal was? Ach ja: Männer als Freier, Männer als Prostitutionskunden, Männer als zahlende Gäste.

So schwer es mir fällt, innerhalb des Spannungsfeldes der Prostitution zwischen Freiwilligkeit und Zwang zu belastbaren Aussagen zu kommen, so leicht erscheint es mir, über Freiertum zu sprechen und es infrage zu stellen: Darf Mann Freier sein? Und wenn ja, sollten Männer Freier sein dürfen? Existiert etwa ein Menschenrecht darauf, seine eigene Sexualität gegen Geld am anderen auszuleben? Wie kann Mann überhaupt auf die Idee kommen, Sex ohne Kondom zu verlangen? Und können Freier eigentlich mehrheitlich unterscheiden, ob sie sich eine Dienstleistung oder einen Menschen kaufen?

Die Antworten auf diese Fragen sind spärlich gesät, aber es gibt sie. Für den "Stern" hat Bettina Flitner auf beeindruckende Weise Kunden eines Stuttgarter Bordells porträtiert und ist der Frage nachgegangen, welche Männer warum so etwas tun. Darüber hinaus liefert ihre Arbeit interessante Hinweise darauf, was der Umstand mit Männern macht, in einer Gesellschaft aufzuwachsen, die ihnen den Eindruck vermittelt, Frauen seien käuflich.

Von einem gutaussehenden jungen Singlemann erfährt man beispielsweise: "Frauen gehen mir oft auf den Sack. (...) Dafür zahlen hat das gewisse Etwas. Da besitzt man die Frau. Man kann mit ihr machen, was man will."

Ein hässlicher alter Mann beschwert sich darüber, dass in Swingerclubs nur so "hässliche alte" Frauen sind, und wünscht sich "keine zu professionellen, sondern eher solche (...), die das nur ab und zu machen".

Und ein anderer konstatiert: "Wenn man in so einen Club geht, ist man mit normalen Frauen nicht mehr zufrieden."

Der Wissenschaftler Udo Gerheim kommt in seinem Buch "Die Produktion des Freiers" und in seinen daran anschließenden Forschungen zu ganz ähnlichen Ergebnissen.

Und die 2009 erschienene Studie "Men who buy sex. Who they buy and what they know" stellt noch weitreichendere Fragen, auf die sie dann auch die entsprechenden Antworten bekommt: 27 Prozent der Befragten gaben an, dass Freier, wenn sie einmal bezahlt hätten, sexuell alles tun dürften, was sie wollten. 33 Prozent glauben, dass Frauen grundsätzlich Lügnerinnen sind. Zugleich haben 37 Prozent schon einmal eine sich nicht prostituierende Frau belogen, um mit ihr Sex haben zu können. 71 Prozent fühlen sich in gewisser Weise schuldig, beschämt oder schlecht dabei, für Sex zu bezahlen. Dessen ungeachtet oder vielleicht sogar deswegen tätigen Männer aus dem Kreis der Befragten Aussagen wie: "Es ist ein dreckiger Job, meiner bescheidenen Meinung nach. Sex gegen Geld zu machen ist keine anständige Sache für ein menschliches Wesen. Mit einer von denen würde ich kein Date haben oder eine Beziehung führen."

Wie kommt ein Mann dazu, so etwas zu sagen und zu tun? Also Prostitutierten-Shaming zu betreiben und gleichzeitig Sex gegen Geld zu kaufen? Warum mag Mann "diejenigen nicht, die kein Geheimnis daraus machen, dass es ein Job ist". Mann müsste doch wissen, was da passiert. Oder etwa nicht?

Dienstleistung ja, aber Menschen nicht

Bei diesen Fragen geht es nicht etwa darum, Freier zu kriminalisieren, wie gelegentlich behauptet wird, sondern vielmehr darum, sich klar vor Augen zu führen, wer diese Männer sind, was sie wollen und worauf sie ein Recht zu haben glauben. Es geht nicht darum, alle Freier pauschal als frauenverachtende Drecksäcke zu stigmatisieren, sondern um die Frage, ob wir als Gesellschaft genug tun, um Männern zu vermitteln, dass sie zwar Dienstleistungen aber keinen Menschen kaufen können? Solange Freier das eine mit dem anderen verwechseln, wird Prostitution auch kein Job wie jeder andere sein. Nicht weil Frauen nicht das Recht darauf hätten ihn auszuüben, sondern weil Männer nicht das Recht haben, gegen Geld sexuell über einen Menschen zu verfügen.

Da wir aber über die Gesellschaft kein Erziehungsmoratorium verhängen können, also eine Art Aussetzung von Prostitution, bis wir alle und insbesondere Freier etwas schlauer geworden sind, wird dies  – wenn überhaupt – nur im fortlaufenden Prozess erlernt werden. Mit anderen Worten: Auf dem Rücken von Frauen, die sich gegen ihren Willen prostituieren müssen, und mit moralischen Anwürfen an Frauen, die für ihre freie Berufswahl kritisiert werden. Frauen wird also auch in Zukunft in dieser Sache deutlich zu viel zugemutet werden. Daher wird wohl verlangt werden können, die Ruhe und das Selbstverständnis von Freiern mehr als bisher infrage zu stellen: Mann, wieso machst du das eigentlich? (Nils Pickert, dieStandard.at, 9.10.2013)