Sarah Viktoria Frick spielt die stumme Kattrin.

Foto: Andy Urban

Wien - Durch fingerdicke Brillengläser hindurch hat sich die "zurückgebliebene" Bauerntochter Beppi in Franz Xaver Kroetz' Stallerhof die unglückselige Welt um sie herum angeschaut. Mit Augen, die sich im Angesicht des Gesehenen unfreiwillig vergrößerten und denen man bei diesem skeptisch abwartenden Schauen mit vollkommener Betroffenheit zusehen konnte.

Sarah Viktoria Frick hebt die Verletzungen ihrer Figuren jeweils voller Würde ins Licht: Die Burgschauspielerin war - in geschrumpften Engelsflügeln - das ermordete Mädchen in Dea Lohers Adam Geist, sie war der einflüsternde Kobold im Orsolics-Drama von Franzobel, und sie war die kiffende Enkelin in Eine Familie von Tracy Letts.

Die 1982 in Liechtenstein geborene Schauspielerin ist die wichtigste Entdeckung der Ära Matthias Hartmann. Sie spielt, wie kaum eine spielt, sie legt die Deformationen ihrer Figuren in verschrobener Körperlichkeit frei, ohne künstlich zu sein. Sarah Viktoria Frick schiebt irgendwo eine Ebene dazwischen, auf der das "Schicksal" ihrer Figuren noch einmal innehält, sich zeigt, um verstanden werden zu können. Das hat mit Dauer zu tun, mit Anschaulich-Machen, mit Offenbaren.

2009 kam sie nach ersten Berufsjahren in Essen ans Burgtheater, zwei Jahre später bereits wurde ihr hier der Nestroy-Preis als "beste Schauspielerin" verliehen. Überbracht hat den Preis damals David Bösch, Regisseur und Patenonkel ihres kleinen Sohnes. Und mit ihm, Bösch, den sie bereits zu Studienzeiten in Zürich kennengelernt hat, verbindet Sarah Viktoria Frick auch eine intensive Zusammenarbeit. In knapp zwanzig Produktionen hat sich ein auf tiefem Zutrauen und gegenseitigem Verstehen gründendes schöpferisches Zusammenspiel entwickelt, das nun in Bertolt Brechts Mutter Courage und ihre Kinder am Burgtheater gipfelt, wenn man so will. Kommt ja nicht alle Tage vor, zumal auf den Spielplänen um Brecht meist ein großer Bogen gemacht wird.

Nach der Titelrolle in Die heilige Johanna der Schlachthöfe (2010 in der Regie Michael Thalheimers) spielt Sarah Viktoria Frick ab heute, 19.20 Uhr, die Figur der stummen Kattrin, die Tochter der Marketenderin und vermeintlichen Kriegsgewinnlerin Courage, die mit ihr auf dem Planwagen durch den Krieg zieht und an diesem als schweigende Beobachterin teilnimmt.

Die Dringlichkeit des Stücks heute liegt für Frick auf der Hand: "Wir sehen ja alle, dass wir vom Krieg profitieren. Das ist heute noch krasser geworden als zu Brechts Zeiten. Unsere Wirt- schaft profitiert von den Kriegen der Dritten Welt", sagt sie im Standard-Gespräch.

Kraft durch die Sprache

Und weiter zu Brecht: "Bei Brecht entwickelt sich die Kraft durch die Sprache. Man muss da auch gar nichts ins Heute übersetzen, es ist alles eins zu eins wahr, was er sagt." Nun aber ausgerechnet eine stumme Rolle auszufüllen, ist unter diesen Vorzeichen keine leichte Aufgabe. Der Druck ist, dass man im Ausgleich dazu gestisch zu viel macht, so Frick. "Es hat hingegen eine große Kraft, wenn man wenig macht und die Leute sehen, aha, was löst dieses ständige Nur-Zuhören-Können bei der aus?"

Dabei ist Fricks Spieltrieb groß (zuallererst erkannt von ihrer Mutter, die ihr den Schauspielberuf vorschlug): Schon mit 16 Jahren hielt sie es in der Schule nicht mehr aus und floh, schaffte die Aufnahmeprüfung an der Otto-Falkenberg-Schule in München, wurde aber wegen ihrer jugendlichen Jahre abgelehnt. "Ich bin eher die, die herumhüpft und probiert und die froh ist, wenn man auf der Probe nicht so viel reden muss. [...] Das Kluge entsteht im Körper, bei mir zumindest." Und dann kommt sie lachend zu folgendem Schluss: "Mir liegt wahrscheinlich körperliche Arbeit mehr als geistige!"

Schulabbruch und Rinderalm

Hier wird eine Behauptung nicht kokett ausgesprochen, sondern bekräftigt sich durch die Tatsache, dass Sarah Viktoria Frick nach ihrem herzhaften Schulabbruch auf einer Rinderalm gearbeitet hat (120 Tiere). Wie man in festen Schnürschuhen übers nackte Land geht, ist ihr somit mehr als vertraut. "Mein Schwager hat damals eine Alm gepachtet und noch einen Knecht gebraucht, das war ich." (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 8.11.2013)