Bild nicht mehr verfügbar.

Bund, Länder und Gemeinden schütten weit über 100 verschiedene Förderungen für Familien aus.

Foto: dpa/Frank Leonhardt

Wien - Die Front reicht von links bis konservativ: Eine Familienorganisation nach der anderen meldet sich zu Wort, um von der künftigen Regierung eine Erhöhung der Familienbeihilfe einzufordern. "Preise, Mieten, Gebühren und Löhne steigen regelmäßig, die Familienbeihilfe nicht", argumentieren die Lobbyisten. Wegen der Inflation habe die Leistung seit 2000 ein Viertel an Wert verloren.

Die Regierung scheint den Ruf zu erhören. Seit auch Landeshauptleute aus der ÖVP fordern, die vor der Wahl versprochene, danach aber abgesagte Anhebung nun doch vorzunehmen, suchen die Koalitionsverhandler nach den nötigen Millionen. Nicht abgezogen werde das Geld aus den Töpfen für Wohnbau und die Ganztagsbetreuung an Schulen, legt sich SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder fest - beide Vorhaben kurbelten das Wirtschaftswachstum an. Bis Mittwochabend war eine alternative Geldquelle allerdings noch nicht gefunden.

Das bereits ausgearbeitete Modell für die aufgebesserte Familienbeihilfe würde die Gesamtkosten von zuletzt 3,14 Milliarden pro Jahr um noch einmal 207 Millionen steigern. Um den Brocken leichter schultern zu können, überlegt die Koalition, die Anhebung zwar zu beschließen, aber noch nicht 2014 umzusetzen.

Weniger Geldleistungen

Die "Pressure-Groups" versuchen, mit einer Unterschriftenaktion nachzuhelfen - haben sie die Fakten auf ihrer Seite? Steigen die Familien wegen des Wertverfalls der einschlägigen Leistungen tatsächlich immer schlechter aus?

Wenn man allein die Erosion der Familienbeihilfe betrachtet, dann stimmt die Annahme zweifellos. Doch der Staat verteilt nicht nur unter diesem Titel Geld an Väter, Mütter und Kinder; Bund, Länder und Gemeinden schütten weit über 100 verschiedene Förderungen aus. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat, soweit möglich, alle Ausgaben zusammengerechnet - und kommt zu einem deutlich positiveren Bild, als in der Debatte gezeichnet wird.

Ein realer Verlust bildet sich in den dem Standard vorliegenden Zahlen nicht ab. Seit 2006 haben Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufwendungen für Familienleistungen vom 7,9 auf 8,93 Milliarden im Jahr 2012 gesteigert, bei gleichzeitig gesunkener Kinderzahl. Gab der Staat pro Kind vor sieben Jahren im Schnitt 4400 Euro aus, so waren es 2012 rund 5240 Euro - macht unter dem Strich ein Plus von 19 Prozent, das somit über der Inflationsrate liegt. Denn diese betrug im gleichen Zeitraum "nur" 14,2 Prozent.

Hinter den Zahlen stecken grobe Durchschnittsberechnungen, für die einzelnen Familien schauen die Bilanzen natürlich sehr unterschiedlich aus. Manche Kinder verlieren bestimmte Leistungen bereits vor der Volljährigkeit, weil sie jung zu arbeiten beginnen, andere kassieren sie bis weit ins Erwachsenenalter hinein; die Wifo-Experten haben als Vergleichsgruppe alle Kinder von null bis 19 Jahren hergenommen. Benefits wie Schulbücher oder Freifahrten, die als Bildungsausgaben gelten, sind ebenso wenig eingerechnet wie die Nachmittagsbetreuung an den Schulen.

Mehr an Kinderbetreuung

Auch ohne diese Posten wuchsen bestimmte Ausgaben kräftig an: So steigerten Länder und Gemeinden ihre Geldleistungen um 20,7 Prozent. Vor allem sind es aber massive Investitionen in Kinderkrippen und -gärten, die das Minus bei der Familienbeihilfe wettmachen. Seit 2006 hat die öffentliche Hand die sogenannten "Realtransfers" auf 950 Euro pro Kind beinahe verdoppelt. Deutlich gesunken sind hingegen Kosten für steuerliche Förderungen wie die diversen Absetzbeträge.

Der Staat gibt in Summe also nicht weniger Geld für die Familien aus, sondern setzt einen Teil davon für andere Zwecke ein: verhältnismäßig weniger für monetäre Leistungen, mehr für die Kinderbetreuung. Österreich macht damit einen Schritt nach Vorbild der skandinavischen Länder, wo mehr Frauen im Erwerb stehen. Während hierzulande Geldleistungen immer noch rund 80 Prozent der Familienförderung ausmachen, geben Schweden, Dänemark und Norwegen den Löwenanteil für Kindergärten & Co aus. (Gerald John, DER STANDARD, 12.12.2013)