Mit Wolfgang Brandstetter (56) zieht ohne Zweifel ein Kenner der Materie ins Wiener Palais Trautson ein. Dennoch pfeift dem renommierten Vorstand des Instituts für Wirtschaftsstrafrecht an der WU Wien schon vor seiner Ernennung zum Justizminister scharfer Wind um die Ohren.

Geholt von der ÖVP, gilt er zwar wie seine Vorgängerinnen Beatrix Karl und Claudia Bandion-Ortner als parteiunabhängig. Doch seine Zugehörigkeit zum Österreichischen Cartellverband war sicher kein Nachteil für die Nominierung als Ressortchef. Michael Spindelegger kennt er aus der Verbindung Norica.

Was Brandstetter jetzt gewissermaßen einholt, ist seine Umtriebigkeit als Rechtsvertreter und Strafverteidiger. Er steht seit 1993 als Universitätsprofessor auf der alten Liste der Strafverteidiger, die bei Oberlandesgerichten geführt wird. Diese Möglichkeit, auch als nicht ausgebildeter Anwalt als Verteidiger aufzutreten, wurde zwar 2008 gestrichen, alle bis dahin Eingetragenen dürfen aber weitermachen.

Brandstetter war in vielen großen Wirtschafts- und Korruptionscausen als Rechtsvertreter mit dabei (Libro, Bawag, Wiener Baukartell); er hat nicht nur Ex-Polizeigeneral Roland Horngacher und Bundeskanzler Werner Faymann (Inseratenaffäre) verteidigt, sondern auch den früheren kasachischen Botschafter in Österreich, Rachat Alijew, gegen den hierzulande wegen Mordverdachts und Geldwäsche ermittelt wird. Da die Causa berichtspflichtig ist, hätte Brandstetter als Minister das letzte Wort. Er kann aber auch darauf verzichten. Bisher stand er jedenfalls dem Weisungsrecht immer sehr kritisch gegenüber.

Brandstetter ist verheiratet, er hat drei Kinder und wohnt in Eggenburg im Waldviertel. Seine regionale Verbundenheit zeigt sich auch in seinem Faible für den legendären Räuberhauptmann Johann Georg Grasel. Brandstetter hat nicht nur den verloren geglaubten Gerichtsakt aus dem Jahr 1818 ausgegraben, sondern auch den Prozess nach heutigem Recht nachgestellt. Das historische Original endete am Galgen; mit Brandstetter als Verteidiger und Friedrich Forsthuber, dem Präsidenten des Wiener Landesgerichts, als Richter gab es hingegen einen Freispruch.

"Verhandelt" wurde übrigens bei der Graselwirtin im Waldviertler Mörtersdorf, wo Brandstetter in geselliger Runde auch schon einmal die Kulturgeschichte der Würstel serviert hat. (Michael Simoner, DER STANDARD, 14.12.2013)