"Eine Obmanndebatte wird der ÖVP nicht erspart bleiben - das ist eine alte Gesetzlichkeit." Erhard Busek sieht Fluchtbestrebungen beim VP-Chef. 

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STANDARD: Schwarze Länderchefs proben den Aufstand gegen den Parteiobmann: Haben Sie da als Ex-ÖVP-Chef ein Déjà-vu?

Busek: Auch in meinem Fall hat es nach Wahlen begonnen, ganz vergleichbar ist die Situation dennoch nicht. Mir fiel auf den Kopf, dass ich 1994 den Abstand zur SPÖ zwar verringert, aber keinen brüllenden Wahlerfolg eingefahren habe. Der heutige Konflikt resultiert hingegen aus schlecht geführten Regierungsverhandlungen: Das Zufallsprinzip spielte eine große Rolle, offenbar gab es zum Teil nicht einmal Grundlagenpapiere, die Probleme wurden nicht ausdiskutiert. All das ist aber nicht nur Parteiobmann Michael Spindelegger anzulasten.

STANDARD: Sondern?

Busek: Die Länder waren sehr stark in die Verhandlungen eingebunden, haben allem zugestimmt, obwohl sie offenbar eine andere Meinung vertreten - ich frage mich, warum Parteigremien überhaupt noch etwas beraten, wenn die Beschlüsse dann nichts wert sind. Außerdem: Keiner der drei Landeshauptleute der Westachse ist ein ausgewiesener Bildungspolitiker. Wenn die sich nun für die Gesamtschule starkmachen, dann aus Begierde auf zusätzliche finanzielle Mittel, die im Zuge der Neuen Mittelschule fließen.

STANDARD: Lassen sich damit die Angriffe auf Spindelegger erklären?

Busek: In der Westachse spielen verschiedene Motive eine Rolle, so gibt es Ärger über Spindeleggers Personalpolitik. Er hat Besetzungen parteiintern nicht abgesprochen, manche davon sind schon für sich genommen problematisch: Die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums ist ein Unglück, die kalte Liquidation von Karlheinz Töchterle menschlich verwerflich. Spindelegger engt die ÖVP auf die Politik bestimmter Gruppen - um nicht zu sagen: Blasen - ein: ÖAAB, Cartellverband und Junge Volkspartei verstehen es sehr gut, Posten zu besetzen. Offener wird die Partei dadurch nicht, im Gegenteil. Diese Verengung eröffnet Neos alle Chancen für die Zukunft.

STANDARD: Hat Spindelegger noch eine Chance, seine Autorität nach den Frontalangriffen zu retten?

Busek: Nur, wenn es ihm gelingt, eine vernünftige Programmdebatte zu führen und abseits ausgeleierter Ideen neue Themen zu finden. Die entscheidende Frage ist, wie sich die ÖVP positioniert, aber auch da will ich die Länder nicht aus der Pflicht entlassen: Ich sehe keine große Bereitschaft, Substanzielles beizutragen.

STANDARD: Will die Westachse Spindelegger absägen?

Busek: Dann hätte sie wohl eine andere Strategie eingeschlagen. Aber die Obmanndebatte wird der ÖVP nicht erspart bleiben, das ist eine alte Gesetzlichkeit - und offenbar beschäftigt sich Spindelegger ja auch damit: Er agiert so, als bereite er seine Flucht von der Parteispitze vor. Die Gerüchte, dass er EU-Kommissar werden könne, tauchen nicht zufällig auf.

STANDARD: Glaubt er also selbst nicht mehr an sich?

Busek: Zumindest gibt Spindelegger solche Signale - etwa auch, indem er von der Vertrauensfrage redet. Diese ist immer problematisch, weil daraufhin stets alle versichern, wie ein Mann hinter dem Chef zu stehen. Doch im Rücken des Obmannes sind Parteifreunde am gefährlichsten. (Gerald John, DER STANDARD, 14.1.2014)