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ORF-Direktorin Kathrin Zechner stimmte für Conchita Wurst.

APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER

Es liegt in der Natur von öffentlichkeitswirksamen Ereignissen, dass sich im Blitzlichte der Aufmerksamkeit überraschend viele bis dato eher unbekannte Gesichter mischen. Beim Song Contest am Samstag war das Gerangel um das Siegerbild groß, was in um­gekehrtem Verhältnis stand zur Anzahl jener, die sich vor dem glanzvollen Abend eindeutig hinter Kathrin Zechner positioniert hätten.

Als es darum ging, die Entscheidung, Conchita Wurst zum Song Contest zu entsenden, zu vertreten, stand die Fernsehdirektorin nämlich relativ allein da. Zechner musste sich allerhand Kritik anhören, vor allem über einen angeblich undemokratischen Alleingang, den der ORF ohne Einbeziehung seiner Gebührenzahler getroffen hätte. Es mag ein Zufall sein, dass die Vorbehalte hauptsächlich von Männern kamen.

Die gezielte Platzierung von Ellbogen, im ORF gern offen und verdeckt geübte Praktik, ist ebenso wenig die Sache von Fernsehchefin Kathrin Zechner wie das Bad im Blitzlichtgewitter. Außer bei einer Pressekonferenz in Kopenhagen und dem Empfang am Flughafen unmittelbar nach der Show fehlte Zechner danach bei sämtlichen ORF-Auftritten. Statt den Aufmarsch der Gockel zu begleiten oder gar anzuführen, fuhr sie direkt zu ihrer Familie nach Wien, zu den beiden Kindern und ihrer Mutter - um Muttertag zu feiern.

Seit 2011 ist Zechner auf dem Küniglberg für das ORF-Programm verantwortlich, nach einem Intermezzo bei den Vereinigten Bühnen zum zweiten Mal. Unter Gerhard Zeiler verdiente sie sich mit "Taxi Orange" Lob und Tadel. Seit drei Jahren werkt die Grazerin, die kommenden Samstag ihren 51. Geburtstag feiert, unter Generaldirektor Alexander Wrabetz - wie gewohnt: mit ungebremstem Einsatz und wenig Talent zu diplomatischem Geschick. "Wenn sie sich etwas einbildet, will sie es haben - und zwar möglichst gleich", heißt es aus ihrem Umfeld. Mitarbeitern ist sie mitunter eine in ihren Ideen allzu sprunghafte Chefin, in ihrer Wortwahl wenig zimperlich.

Zechners Programmbilanz ist ausgeglichen: Flops wie "Keine Chance" und "Hast du Nerven" stehen Prestige­objekte wie "ZiB"-Magazin und  Erfolgsprogramme wie "Wahlfahrt" und Dienstag-Comedys gegenüber. Widerstandskraft beweist sie auch anderswo: Die Politik fühlt sich bisweilen zu wenig gehört. Nach dem Wurst-Sieg gratulierte Zechner auch dem Team. Keine Selbstverständlichkeit im Reich der Ellbogen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 13.5.2014)