Ausschlafen erlaubt: Im Gasthaus Wagner wird auch nachmittags das volle Programm gekocht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das kannte man in Hollabrunn bislang eher nicht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Hollabrunn, na ja. Dafür ist das Rundherum umso schöner: sanft geschwungene Hügel bis zum Horizont, hinter jedem eine Kellergasse, dazu die Schlösser, Barockkirchen, Mühlhöfe samt Bächen, die zahllosen Obstbaumalleen - man darf die Augen schon mal zudrücken, wenn es die Bezirksstadt selbst gar so am Charme fehlen lässt. Dafür hat sie andere Reize. Einen richtigen Spitzenfleischhauer zum Beispiel (Hofmann!) - so einen würden wir in Wien auch gut brauchen, seit dem Zudrehen der Markthalle schon gar.

Und jetzt auch ein Wirtshaus, in dem man (zumindest von Donnerstag bis Sonntag) durchgehend essen kann. Das freut nicht bloß die Hollabrunner, sondern auch die vielen Wochenendhäusler aus der Gegend, die schon längst einmal ein bissl länger schlafen wollen, ohne deshalb ab 13 Uhr nur noch Käsebrot und Gulaschsuppe im Dorfwirtshaus vorgesetzt zu kriegen. Bislang half da nur: bis zum Abenddurchgang durchmützen - oder, auf die Dauer auch nicht unanstrengend, selbst kochen.

Stattliches Eckwirtshaus

Das Gasthaus Wagner liegt exakt gegenüber dem Lagerhaus, was insofern praktisch ist, als man schon von weitem am Speicherturm erkennt, wo man hinwill. Von außen sieht es wie ein stattliches Eckwirtshaus aus der Gründerzeit aus, innen eher nicht. "Das war leider unvermeidlich", sagt Küchenchef Christoph Wagner, der das Gasthaus gemeinsam mit Bruder Philipp betreibt, "die Substanz war komplett kaputt, in den Wänden steckte der Moder".

Dafür macht die Speisekarte ganz ordentlich was her. Zwischen saftigem Kalbswiener aus dem Butterschmalz (zum Kampfpreis von EURO 11,40 inkl. Salat!) und sonntäglichem Mangalitza-Schweinsbraten zeigt Wagner, dass er auch die feinere Klinge durchaus im Griff hat. Rucolasalat mit Melone und gebratener Blunze etwa mag furchterregend klingen, erweist sich aber nicht zuletzt wegen des schwungvollen Dressings als gelungene Kombination. Dünne Scheiben von der geschmorten Rindsbacke mit kurzgebratener Gansleber und Maldon-Salz obendrauf schmecken mindestens so toll wie's klingt - hoffentlich findet diese seligmachende Vorspeise schleunigst den Weg auf die Standardkarte.

Alles tipitopi?

Auch sonst gibt es über weite Strecken nichts zu raunzen: Kalbsbeuschel mit frischem Liebstöckel, Damwild-rücken mit knusprig gebratenem Zeller, Kalbsleber mit pochiertem Apfel und Reis, Tagliatelle mit Kohlrabi, Pecorino und Tomatenpesto - alles perfekt gebraten oder so gekocht, dass trotz reichlicher Portionen aber schon gar nix übrig bleibt.

Alles tipitopi? Nicht ganz: Caesar's Salad ist zwar okay abgeschmeckt, hat aber schon reichlich braune Ränder am Eisberg und, ganz böse, gebratene Süßwassergarnelen aus dem Antibiotika-Teich obendrauf - so nicht. Und die Schoko-Mousse kommt derart deutlich aus dem Kühlschrank, dass man sie besser gleich dort lässt. (Severin Corti/Der Standard/rondo/10/10/2008)