In der Gaststube des uralten Lesehofs wird plötzlich richtig spannendes Essen serviert.

Foto: M. Corti

Zu den Weinen von Nigl macht sich das außerordentlich gut.

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Erwin Windhaber ist gerade 27 Jahre alt. In einem Alter, in dem viele froh wären, als Sous-Chef einem großen Chef zur Hand zu gehen, um sich den entscheidenden Schliff zu holen, hängt der junge Mann aus Rohrendorf bei Krems seinen Michelinstern samt drei Hauben schon wieder an den Nagel - vorläufig zumindest.

Das ist insofern verständlich, als Windhaber seine Karriere vom ersten Tag der Lehre an in Betrieben von Toni Mörwald verlebt hat - zuletzt machte er den Küchenchef in dessen Fine-Dining-Restaurant und Aushängeschild im Kremser Kloster Und. Irgendwann will man aber auch was anderes sehen. Weil Windhaber die Nähe zum heimatlichen Dorf jedoch mindestens so wichtig ist wie die Karriere, wurde es nicht New York oder Moskau (wo sein Lehrmeister und Und-Vorgänger Leonhard Cernko kocht), sondern Senftenberg im Kremstal. Da ist dafür der ziemlich weltbekannte Winzer Martin Nigl sein Chef.

Grammelknödel, Blunzenstrudel und Mohnnudeln

Der aber wollte eigentlich nichts weniger als einen hochexklusiven Dreihauber als Koch - auf der Homepage des Weinguts wird das Restaurant dementsprechend immer noch als Ort beschrieben, in dem "Grammelknödel, Blunzenstrudel und Mohnnudeln" serviert werden. Und das, obwohl Windhaber, der sich hier selbst beworben hat, bereits seit August in der Küche umrührt.

Die Karte liest sich als überaus appetitliches (und verlockend kalkuliertes!) Kompendium an Köstlichkeiten, keineswegs hochgestochen, aber doch deutlich anders als die sonst so üblichen Langweilereien aus der "verfeinerten österreichischen Küche". Ein pochiertes Ei in Rotweinbutter etwa, mit knusprigem Speck und kurzgebratenen Champignons nach Art eines klassisch französischen "OEuf Meurette" garniert, bei dem sich der Dotter als samtige Creme über die deftigen Köstlichkeiten ergießt. Oder ein in Olivenöl gargezogener Seesaibling mit Brokkolitortelloni in Radieschen-Schnittlauchfond, nicht anders als großartig. Oder, schon ungeniert in luxuriösen Gefilden wildernd (von der Portionsgröße aber alleweil gutbürgerlich), ein prachtvoll gebratener Rehrücken mit Eierschwammerltarte und einer Art Cremespinat von der Petersilie. (Severin Corti/Der Standard/rondo/09/10/2009)