Das Grazer Grandhotel gönnt sich eine radikale Infragestellung dessen, was heutzutage noch Luxus ist.

Foto: M. Corti

Begonnen wurde mit dem Speisesaal.

Foto: M. Corti

Das Restaurant eines Luxushotels wird mit erheblichem Aufwand umgebaut. Meist kann man sich in so einem Fall ein vage auf Design getrimmtes Interieur aus dem Gastroausstatter-Katalog erwarten, dazu zeitgeistig aufgemascherlte Küche zu ebensolchen Preisen. Irgendwie regional angerülpste Spezialitäten gehören natürlich dazu - die Touristen sollen doch ahnen, wo sie gerade Station machen.

Im neuen Speisesaal des Grazer Hotels Wiesler, immerhin das erste Haus am Platz, ist davon nichts zu bemerken. Da gruppieren sich zusammengewürfelte Flohmarktstühle um Kaffeehaustische, statt Tischwäsche gibt es Papierläufer, eine Wand samt offenem Kanalrohr steht nur noch zur Hälfte da - als ob die Abrissbirne vor Ende der Arbeitszeit woandershin beordert worden wäre. Dazu gibt es lautstarken Sound vom DJ-Pult und eine Küche, die sich jeden rustikalen Anstrich konsequent verbittet - was in der Metropole von Kürbiskern-Country an sich schon als Revolution gelten darf.

Alleinstellungs-Merkmal

Dafür wurde, als prächtiges Alleinstellungs-Merkmal, ein Holzkohlengrill aus Gussbeton eingebaut, bei dem allein die Abluftanlage so viel gekostet haben dürfte wie anderswo ein ganzes Lokal. Insgesamt soll die Neugestaltung von Speisesaal und Foyer eine Million Euro gekostet haben. Die Zimmer werden nach und nach auf Linie gebracht. Auf die Preisgestaltung hat das aber keinen Einfluss: Mit Ausnahme der prächtigen Steaks kostet nichts mehr als15 Euro, was sich auch in der Auslastung niederschlägt: Ohne Reservierung heißt es zuerst einmal warten - an der hübschen Bar mit der Faema 61 lässt es sich aber ganz gut aushalten.

Noch dazu, wo die Wartezeit sich lohnt: Die unaufgeregt internationalen Positionen der Karte, von Gazpacho über Caesar- und Waldorf-Salat bis zu den Grillgerichten gelingen in beachtlicher Qualität. Der Quarterpounder mit Cheddar und Cole Slaw ist mit großer Wahrscheinlichkeit der beste Burger des Landes, und auch sonst machen die Spieße, Steaks, Salzwassergarnelen und Würste (Currywurst! Salsiccia!) mit ihrem prägnanten Grillgeschmack Freude. Dazu gibt es dünne, extra knusprige Pommes, exzellente Drinks zu Kampfpreisen und Personal, das nicht bloß effizient, sondern auf ganz entspannte Art auch noch freundlich ist. Glückwunsch, Graz! (Severin Corti/Der Standard/rondo/04/06/2010)