grafik: DER STANDARD
Graz/Salzburg/Innsbruck - Siegfried Nagl jubelte: "Das christliche Europa hat gewonnen." In der zweitgrößten Stadt Österreichs, Graz, habe die ÖVP bei der Europawahl ihre Führungsrolle behauptet. Unerwähnt ließ der Grazer ÖVP-Bürgermeister Nagl aber, dass die ÖVP in den Städten - so auch die Grazer Volkspartei - von einem gefährlichen Erosionsprozess erfasst ist. Die bürgerlichen Bezirke werden langsam, aber sicher grün eingefärbt, die Grünen dringen sukzessive in die ÖVP-Hochburgen der Städte ein.

In der Grazer City, der inneren Stadt, und im schwarz dominierten Viertel St. Peter wuchsen die Grünen zur stärksten Partei an. Im Uni-nahen Bezirk St. Leonhard mit den alten Bürgerwohnvierteln rangieren die Grünen nun gleichauf mit der ÖVP bei 31 Prozent der Stimmen.

Auch die SPÖ wird von den Grünen bedrängt. Im Uni-Viertel Geidorf, im Grüngürtel der Bezirke Waltendorf und Mariatrost, überholten die Grünen die SPÖ.

In Innsbruck wurden die Grünen in einer Landeshauptstadt erstmals mit 28,3 Prozent stärkste politische Kraft. In sieben der 18 Stadtteile haben sie die meisten Stimmen erhalten, mit einem Anteil zwischen 30,1 bis 39,5 Prozent. Siegreich waren sie nicht nur in bürgerlichen, "dörflichen" Stadtrandbezirken mit hohem Akademikeranteil (Hungeburg, Hötting), sondern auch im ehemals roten, sozial durchwachsenen Wilten, dem zweitgrößten Bezirk.

Jung, grün, gebildet

In Linz können sich die Grünen ebenso über ein deutliches Plus freuen. Mit 4,2 Prozent reiht sich der grüne Teil des oberösterreichischen Pilotprojekts an die zweite Stelle hinter die SPÖ, die mit einem Gewinn von 4,6 Prozent im Vergleich zum Jahr 1999 als Linzer Wahlsieger hervorging. Den größten Zuwachs konnten die Grünen in Linz vor allem im Bereich der Jungwähler verbuchen. Regierungspartner ÖVP konnte zwar in Linz ebenfalls ein Plus verzeichnen, allerdings in einem deutlich geringeren Ausmaß. Um 0,6 Prozent mehr Linzer entschieden sich im Vergleich zu 1999 für die ÖVP.

Die "grünste" Gemeinde im Land Salzburg ist die Landeshauptstadt: Die vom ehemaligen Bürgerlistenstadtrat Johannes Voggenhuber angeführte Liste kam auf 23,1 Prozent und liegt nur knapp hinter ÖVP (26,7) und SPÖ (25,7). Traditionell punkten können die Grünen auch an der Salzach in den bürgerlichen Stadtteilen wie Aigen (29,3 Prozent), Gneis (29,6) oder der Riedenburg (27,6). In der bürgerlichen Josefiau überholten die Grünen die ÖVP mit 24,8 zu 21,9 Prozent deutlich. In den Arbeiterbezirken hielten sich grüne Zugewinne in Grenzen, doch die FPÖ konnten sie überall überholen.

Erfreuliches Detail am Rande: Voggenhuber wurde in seinem Heimatbundesland auch "Vorzugsstimmenkaiser". Er erhielt mit über 2500 Vorzugsstimmen fünfmal so viele wie Hans-Peter Martin. (bs, mro, mue, neu/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.6.2004)