Woher der jeweilige ÖVP-Obmann auch kam, ob aus dem ÖAAB oder aus dem Bauernbund - es war seit den 1960er-Jahren immer ein Tanz zwischen den Bünden auf der einen und den Ländern auf der anderen Seite. Wer wie Josef Klaus 1966 oder Wolfgang Schüssel 2002 bei einer Wahl triumphierte, konnte sich bis zum nächsten Urnengang halten. Beide Wahlsiege hatten auch externe Ursachen: 1966 schwächte der frühere ÖGB-Präsident und spätere Innenminister Franz Olah durch seine Kandidatur die SPÖ. 2002 waren viele FPÖ-Wähler, verstört durch das "Knittelfeld" ihres Idols Jörg Haider, Schüssel gefolgt.

Klaus hatte dann 1970 nach der Niederlage gegen Bruno Kreisky ausgetanzt. Ihn ersetzte für ein Jahr der wortgewaltige, aber hölzerne niederösterreichische Notar Hermann Withalm, bevor mit Karl Schleinzer, einem Kärntner Bauernbündler, eine auch programmatisch neue Ära begann. Sie endete abrupt, als Schleinzer 1975 bei Bruck/Mur in einen türkischen Truck krachte und starb.

Schüssels Ende als Kanzler und ÖVP-Obmann (seit 1995) kam nach den Wahlen 2007, weil er die Haider-Wähler nicht halten konnte und überraschend gegen Gusenbauer verlor, der selbst nicht recht wusste, warum er gewonnen hatte. Schüssels "Withalm" als Ein-Jahres- Obmann war Wilhelm Molterer, der den autoritären Stil seines Vorgängers nicht kopieren konnte und wollte, der der Partei aber auch keine neue Richtung gab.

Erster Versuch mit der FPÖ

Was Kreisky konnte, können auch wir, dachten sich 1975 einige Granden der ÖVP nach dem Tod Schleinzers. Der SPÖ-Kanzler hatte 1970 seine Minderheitsregierung mit Unterstützung der FPÖ Friedrich Peters durchs Parlament gebracht - mit dem Preis einer Wahlrechtsreform. Neun Jahre später kam es unter der Regie von Josef Krainer junior zu einem Pakt mit der FPÖ. Hätte der ÖAABler und Industriemanager Josef Taus die Wahl 1979 gewonnen, wäre der Grazer Bürgermeister Alexander Götz Vizekanzler geworden. Die Rechnung ging nicht auf, weil Kreisky noch einmal die "Absolute" eroberte. Taus hätte, wie später Schüssel, eine Privatisierungswelle entfacht.

Als Krainer aufgefordert wurde, selbst nach Wien zu gehen und die Bundes-VP zu übernehmen, kniff er. Das war die Stunde des Alois Mock, eines völlig anders als Taus gestrickten ÖAABlers. Die Steirer mussten sich zehn Jahre gedulden. 1986 hatte der in Umfragen führende Mock (bereits gezeichnet von seiner Krankheit) gegen Franz Vranitzky verloren - als Außenminister versuchte er, sich mit seinem EU-Kurs zu retten. Erneut kam es zu einer Länderrevolte, aber die Steirer boten wiederum nicht Krainer, sondern den korrekten, aber schwachen Bauernbündler Josef Riegler auf. Obwohl er einige gute Personalentscheidungen traf (zum Beispiel nominierte er überraschend Maria Schaumayer als Notenbankpräsidentin), war er bereits 1991 ablösereif. Ihm folgte, von den Steirern protegiert, der Wiener Erhard Busek, dessen intellektueller Anspruch die Bünde von vornherein reizte. Die "Basis" lehnte ihn ab, er war für viele "zu gescheit".

Die Rolle Krainers übernahm danach der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll. Auch sein Neffe Josef sollte, wie seinerzeit Taus, die ÖVP auf neue Schienen setzen - ohne freiheitliche Beteiligung. Das niederösterreichische Machtexperiment scheiterte genauso wie das steirische - an den Defiziten beider Prölls und an der Tatsache, dass die ÖVP im Unterschied zu den Tagen von Josef Klaus und Karl Schleinzer keine Denker mehr im Köcher hatte. Michael Spindelegger war das letzte niederösterreichische Aufgebot. Er neigte zu Starrsinn statt Fantasie und zu Fundamentalismus statt Aufgeschlossenheit. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 27.8.2014)