Der neue ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner ist unter Zeitdruck, in Sachen Regierungsumbildung und bei der Steuerreform.

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Auch wenn die SPÖ wegen des schwarzen Chaos zunächst froh ist, ihre leidige Quotendebatte rund um den Fall Sonja Ablinger los zu sein, kann es ihr nicht recht sein, dass es den Koalitionspartner zerbröselt. Denn in Umfragen grundelt die Vizekanzlerpartei derzeit bei zwanzig Prozent herum - und bei Neuwahlen droht ein unkontrolliertes Erstarken der FPÖ von Heinz-Christian Strache.

SPÖ-Chef und Kanzler Werner Faymann ließ daher keinen Zweifel daran, was er von der ÖVP erwartet: Er gehe davon aus, dass es seiner Regierung gelingen werde, "die Zukunft zu bewältigen - und wenn geht, besser". Dazu hätte Faymann am liebsten, dass der Koalitionspartner seine offenen Personalfragen bis Dienstag unter Dach und Fach bringt - denn da stellen sich auch die neuen roten Minister, Alois Stöger für Infrastruktur und Sabine Oberhauser für Gesundheit, dem Parlament vor. Ihr Termin für die Angelobung beim Bundespräsidenten war ursprünglich mit Montag fixiert, doch aufgrund der Turbulenzen in der ÖVP könnte sich dieses Vorhaben noch verschieben, erklärte man in der Kanzlei von Heinz Fischer.

Mögliche Rochaden

Reinhold Mitterlehner, der am Dienstagabend vom ÖVP-Vorstand einstimmig zum neuen Obmann bestimmt wurde, will jedenfalls bis Dienstag nächster Woche eine Lösung und möglicherweise eine neue Mannschaft präsentieren. Der Rücktritt Michael Spindeleggers könne auch eine Gelegenheit für Rochaden im Regierungsteam sein, sagte Mitterlehner im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch. Er würde nicht ausschließen, dass es auch andere Wechsel geben werde. Der Kern des Regierungsteams sei aber neu und gut aufgestellt.

Mitterlehner ließ dabei auch wissen, er tendiere dazu, Wirtschafts- und Wissenschaftsminister zu bleiben. Er habe sich überlegt, die Funktionen des Parteiobmanns und des Finanzministers zu trennen. Denn das Amt des Finanzministers bringe eine Menge Nachteile mit sich, etwa eine lange Einarbeitungszeit.

Also muss sich die Partei wohl einen neuen Finanzminister suchen. Der war am Dienstag noch nicht gefunden, es wurden aber bereits eine ganze Reihe von Namen genannt: der Bankmanager Stephan Koren etwa, Hauptverbands-Chef Hans Jörg Schelling und Gottfried Haber von der Donauuni Krems.

Lopatka bleibt im Klub

Für Kontinuität im Finanzressort soll vorerst Jochen Danninger sorgen, er ist dort Staatssekretär und gilt in der Koalition in Steuerfragen als der Experte schlechthin, dazu trägt das umstrittene Hypo-Sondergesetz seine Handschrift.

Klar ist, dass Reinhold Lopatka nicht ins Finanzressort wechselt, ihm sprach Mitterlehner das Vertrauen als Klubchef im Parlament. Der neue ÖVP-Chef stellte auch klar, dass Gernot Blümel Geschäftsführer der Partei bleiben soll.

Steuerreform: Ende der Pattstellung

Tatsächlich dürfte die Steuerreform das bestimmende Thema bleiben. Im Ö1-"Morgenjournal" sagte Mitterlehner am Mittwoch, er wolle mit Verve und Dynamik sein neues Amt angehen, in Sachen Steuerreform müsse man eine "ewige Pattstellung" vermeiden.

Gleichzeitig sieht Mitterlehner "relativ keinen" Spielraum, die Vermögenssteuer anders zu handhaben als sein Vorgänger. "Relativ ist also eigentlich absolut zu sehen", so der neue ÖVP-Chef. Er würde sie aber nicht "absolut" ausschließen - es müsse einen Spielraum geben, um eine Lösung zu finden. Die ÖVP werde eine "bestimmte Bewegung aufnehmen" und auf Ebene der Bünde und Landesparteien eine Klärung in der Steuerfrage suchen. Auf Regierungsebene wurde zuletzt die Variante diskutiert, Kapitalertrags- und Grundsteuer zu erhöhen.

"Profil gewinnen"

Dem Koalitionspartner richtete Mitterlehner aus, dass dort keine Erwartungshaltung angebracht sei, dass er nur "ein pflegeleichter Partner" sein und sofort umfallen werde. Mitterlehner stellte allerdings klar, dass er die Koalition fortführen wolle: "Ich strebe nicht Neuwahlen an, bevor wir uns nicht inhaltlich klar positioniert haben", das sei auch strategisch unsinnig.

Er habe sich "nicht in diese Rolle gedrängt, aber es gilt, das Notwendige wahrzunehmen" - und dabei, sagte Mitterlehner, werde er die gebotene "Kraft und Kreativität" entfalten. "Ich sehe mich als Spezialisten für schwierige Aufgaben." Als Ziel gabe Mitterlehner aus, dass die Koalition "Profil gewinnen" müsse: "Es gilt, die Frage zu klären, wofür diese Regierung steht."

Loyalität

Faymann kann mit der Lösung gut leben. Er kann gut mit Mitterlehner und darf nun darauf hoffen, dass dieser ihm auch in Sachen Steuerreform und Sparkurs entgegenkommen wird. Faymann stand nach der wöchentlichen Regierungssitzung am Dienstag kein leichter Auftritt bevor. Noch dazu, wo Spindelegger seinen Abgang im Finanzressort damit erklärt hat, dass er im Streit um die Steuerreform "Loyalität und Paktfähigkeit" vermisst habe - auch vom Regierungspartner.

Kurz vor elf trat der Kanzler dann allein und demonstrativ staatsmännisch vor die Medien: Er dankte Spindelegger für die Zusammenarbeit in dieser krisenhaften Zeit, die Beharrlichkeit bei der Budgetstabilität, das Erreichen der Budgetziele. Er, der Kanzler, gehe aber davon aus, dass die Koalition bis 2018 hält. Und ja, auch für ihn komme Spindeleggers Rückzug überraschend - auch wenn "ich schon immer wieder bemerkt habe, dass er sehr belastet war von den schwierigen Aufgaben, die er zu bewältigen hat". Trotz oder wegen des Hypo-Debakels und des zu haltenden Sparkurses war Faymann "aber davon ausgegangen, dass Spindelegger bis zum Ende der Legislaturperiode bleibt".

Zwei Pfeiler

Dann sprach der Kanzler "von einer höchstpersönlichen Entscheidung" seines Regierungspartners - zu diesem Zeitpunkt machten längst Gerüchte die Runde, dass die Kritik diverser ÖVP-Landeshauptleute dem Obmann nach dem Tod seines Vaters vor wenigen Wochen besonders zugesetzt habe. Der SPÖ-Chef gab sich jedenfalls keineswegs zerknirscht darüber, dass sein Beharren auf Vermögensabgaben und einer raschen Steuerreform zur Entlastung der Bevölkerung Spindelegger zum Rückzug getrieben haben könnte: "Bei der Steuerreform braucht es zwei Pfeiler, um eine Steuersenkung zu finanzieren: Sparen und neue Einnahmen."

Molterer weiß von nichts

Dazu könnte auf Faymann als Regierungschef bald aber noch ein anderes Problem aus Brüssel zukommen - nämlich dann, wenn der neue EU-Kommissionspräsident Jean Claude-Juncker für eine herzeigbare Frauenquote in der Kommission auf einen weiblichen Vorschlag Österreichs besteht. Fragt sich, wer nach Brüssel geschickt wird. Ursula Plassnik, Botschafterin in Paris, wird genannt, auch Maria Fekter, Ex-Finanzministerin mit Hang zu diplomatischen Fettnäpfchen, aber durchaus Brüssel-gestählt.

Spindelegger selbst, so kursierte das Gerücht, könnte Wilhelm Molterer als Mitglied des Direktoriums und Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg nachfolgen - was von diesem aber brüsk zurückgewiesen wird: "Das habe ich noch nie gehört." (red, DER STANDARD, 27.8.2014)