Designierter Parteichef des ÖVP: Reinhold Mitterlehner.

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Der neue ÖVP-Obmann hat sich entschieden: Zumindest einen Klotz am Bein seiner Vorgänger will er sich nicht umschnallen – und zwar die Hoheit über die Finanzen der Republik. Am Mittwochmorgen stellte Reinhold Mitterlehner nach seiner nächtlichen Kür zum Parteichef klar, dass er das Amt des Finanzministers keinesfalls anstrebt, ganz im Gegenteil: Er habe sich überlegt, diese beiden aufwändigen Funktionen zu trennen, die Wilhelm Molterer, Josef Pröll und zuletzt auch der überraschend zurückgetretene Michael Spindelegger in Personalunion ausgeübt haben.

Nach dem einstimmigen Ergebnis im schwarzen Vorstand am Dienstag, dass Mitterlehner als Vorderster die Vizekanzlerpartei aus ihrer Krise holen soll, ist der neue Chef also auf der Suche nach neuem Personal.

Die Zeit drängt

Die Zeit drängt: Denn Bundespräsident Heinz Fischer hat bereits durchblicken lassen, dass er die Neuen in der ÖVP-Regierungsmannschaft schon am Montag angeloben möchte. Nicht nur, weil da in der Hofburg schon der Offizialakt für die SPÖ-Minister Alois Stöger (Infrastruktur) und Sabine Oberhauser (Gesundheit) ansteht, sondern weil alle neuen Regierungsmitglieder binnen einer Woche laut Protokoll auch dem Nationalrat vorzustellen sind - und bei längerem Zuwarten müsste das Parlament, das am Dienstag zusammentritt, für Mitterlehners Team übernächste Woche dann wieder eine eigene Sondersitzung einberufen.

Damit stehen für Mitterlehner binnen kürzester Zeit unzählige Gespräche und Entscheide an - nicht nur, um möglichst schnell einen Finanzminister zu finden, der auch die Bünde und Länder zufriedenstellt. Er selbst tendiert dazu, Wirtschafts- und Wissenschaftsminister zu bleiben - aber zur Entlastung, so hört man, will er sich einen Staatssekretär ins Ressort holen, weil er an der Seite von Kanzler Werner Faymann (SPÖ) ja auch den Vizechef der Regierung machen muss.

Lob statt Tadel

Eine Möglichkeit wäre daher, dass ÖVP-Finanzstaatssekretär Jochen Danninger zum Minister aufsteigt. Eine zweite, dass dieser zu Mitterlehner ins Ressort am Wiener Stubenring wechselt. Doch gegen diese Varianten spricht, dass Danninger zu Spindeleggers engsten Vertrauten gezählt hat – und er gilt auch als Mastermind hinter dem umstrittenen Hypo-Sondergesetz sowie dem strikten ÖVP-Sparkurs, bevor es zu einer Steuerreform kommen kann.

Obwohl in der Partei auch andere Namen als Ablösekandidaten innerhalb der Regierungsriege kursieren (Familienministerin Sophie Karmasin oder Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter etwa), versichern schwarze Granden, dass Mitterlehner im Vorstand am Dienstagabend der gesamten Mannschaft nicht nur Lob, sondern auch sein Vertrauen ausgesprochen hat.

Härte gefordert

Während der hektischen Suche nach einem neuen Wächter für das Staatsbudget richteten erste ÖVP-Politiker aus den Ländern Mitterlehner nicht nur Glückwünsche und Loyalitätsbekundungen, sondern auch ihre ersten Empfehlungen aus.

Für Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner muss der neue Finanzminister "eine gewisse Härte" mitbringen. Der steirische ÖVP-Obmann Hermann Schützenhöfer, zwar Unterstützer Mitterlehners, erklärte, dass "mit dem Auswechseln eines Gesichts kein Problem gelöst" sei: Der frischgekürte Chef habe nun dafür zu sorgen, dass der Motor der ÖVP neu durchstartet. Beim Budget, bei den Pensionen, bei der Pflege, bei der Bildung, bei der Steuerreform – "sonst wird es ein böses Erwachen geben". Burgenlands ÖVP-Chef Franz Steindl erwartet sich, "dass das, was im Regierungsübereinkommen fixiert worden ist, nun Punkt für Punkt durchgesetzt wird".

Pröll schweigt

Nur einer hielt sich wieder auffallend zurück: Erwin Pröll, Niederösterreichs Landeshauptmann und normalerweise Obmann-Macher, der trotz Spindeleggers Abgang nicht von seinem Urlaubsdomizil an der Adria zum Parteivorstand in Wien zu bewegen war. Pröll sei telefonisch eingebunden, heißt es, er warte jetzt auf Mitterlehners Personalvorschlag – und darauf, ob der neue ÖVP-Chef noch jemanden aus Niederösterreich ins Regierungsteam holt. Dass Pröll kein Fan von Mitterlehner ist, gilt als bekannt, er könnte aber mit zusätzlichem Einfluss befriedet werden: wenn ein Niederösterreicher Finanzminister wird. (Michael Völker, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 28.8.2014)