Beate Meinl-Reisinger will eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge.

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Beate Mein-Reisinger bestätigt im Interview mit dem STANDARD Gespräche zwischen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Neos-Obmann Matthias Strolz. Man habe sich aber auch mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) über die nächste Wahl unterhalten. Eine gemeinsame bürgerliche Plattform mit Kurz kann sie sich nur schwer vorstellen. "Ganz ehrlich, ich sehe nicht, wie mit einer derart verkrusteten ÖVP, die korruptionsanfällig ist und Bünden und Landeskaisern hörig ist, Reformen möglich sein sollen." Dafür würden die Gespräche mit der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss gut laufen.

STANDARD: Es hat Gespräche zwischen Sebastian Kurz und Matthias Strolz gegeben. Dem Vernehmen nach ging es um eine gemeinsame bürgerliche Plattform mit Irmgard Griss bei der nächsten Wahl. Eine gute Idee?

Meinl-Reisinger: Es hat Gespräche gegeben, aber die gab es mit vielen. Auch mit Kanzler Christian Kern. Es ist unsere Stärke, dass wir Allianzen bilden können. Aber ganz ehrlich, ich sehe nicht, wie mit einer derart verkrusteten ÖVP, die korruptionsanfällig ist und Bünden und Landeskaisern hörig ist, Reformen möglich sein sollen.

STANDARD: Eine gemeinsame Plattform ist für Sie ausgeschlossen?

Meinl-Reisinger: Offensichtlich geht es Sebastian Kurz darum, die ÖVP zu retten und nicht Österreich. Aber Kurz ist eingeladen, insbesondere wenn er seinen Populismus ablegt, dass er die ÖVP verlässt und für echte Reformen antritt. Wir haben aber gute Gespräche mit Irmgard Griss. Die Neos haben keine Eitelkeiten. Wenn sich etwas Neues bildet, dann gerne. Wir wollen aber nicht bei einem sterbenden System lebenserhaltende Maßnahmen setzen oder irgendwelche Leute auf Posten hieven.

STANDARD: Brauchen die Neos für die nächste Nationalratswahl andere Partner, um reüssieren zu können?

Meinl-Reisinger: Grundsätzlich brauchen werden wir das nicht. Aber es wäre ein starkes Signal der Erneuerung.

STANDARD: Vor einem Jahr sind die Neos ins Wiener Rathaus eingezogen, auch um gegen die hohen Parteienförderungen zu kämpfen. Seither sind die Förderungen gestiegen. Wie effizient ist Ihre Oppositionsarbeit?

Meinl-Reisinger: Wir sind nicht als Selbstzweck eingezogen, sondern um das System aufzubrechen. Das können wir unmittelbar nicht, aber wir arbeiten daran. Deswegen haben wir auch als einzige Partei auf die Akademieförderung verzichtet und uns nicht von der Stadtregierung kaufen lassen. Auf unseren Druck hin hat die Stadt etwa die Geldflüsse an Parteien offengelegt. Das sehe ich als Erfolg.

STANDARD: Sie haben kritisiert, dass die Wahlwiederholung in der Leopoldstadt trotz Problemen mit den Wahlkarten nicht verschoben worden ist. Nun fechten Sie die Wahl nicht an. Warum nicht?

Meinl-Reisinger: Hier wurde eine falsche politische Entscheidung getroffen, die zu der rechtswidrigen Situation geführt hat, dass bis zu 800 Menschen nicht wählen gehen konnten. Das hätte die Voraussetzung für eine Anfechtung erfüllt. Politisch gesehen muss man abwägen, was jetzt der Demokratie mehr nützt. Da sind wir zur Erkenntnis gelangt, dass eine Anfechtung nicht der richtige Weg ist. Ich fordere aber volle Transparenz darüber, wann welche Entscheidungen getroffen wurden.

STANDARD: Was soll das bringen?

Meinl-Reisinger: Die Demokratie ist in keinem guten Zustand. Die Menschen wenden sich davon ab. Das liegt auch am Demokratieverständnis der Wiener SPÖ. Es gibt niemanden mehr, der Verantwortung übernimmt. In dem Fall ist das der zuständige Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny. Da kann man auch die Frage stellen, ob nicht ein Rücktritt angebracht ist. Hat er sich hingestellt und seinen Fehler eingestanden? Es wird alles schöngeredet.

STANDARD: Die Neos wollten in der Leopoldstadt ein viertes Mandat, geworden ist es ein leichtes Minus. Woran liegt das?

Meinl-Reisinger: Es haben alle Parteien Wählerstimmen verloren, auch die Grünen. Wir haben die drei Mandate gehalten. Ich bin zufrieden.

STANDARD: Zurzeit ist vor allem das Thema Integration tonangebend. Warum sind Sie hier nicht lauter, sondern reden vor allem über Transparenzthemen?

Meinl-Reisinger: Wir machen sehr viele Vorschläge zur Integration. Man kann den Menschen nicht die Wahl lassen, Willkommensklatscher oder Auslandshasser zu sein. 99 Prozent der Menschen stehen dazwischen. Wichtig für die Integration ist Bildung. Es braucht eine indexbasierte Finanzierung der Schulen, das heißt, dass Brennpunktschulen mehr Mittel bekommen. Wir haben auch immer gesagt, dass es unzumutbar ist, dass Menschen in langen Asylverfahren in der Untätigkeit gehalten werden. Ich sehe ein Chaos im Zugang zu Kursen. Hier ist auch der Integrationsminister gefragt. Sebastian Kurz ist angetreten, um hier etwas zu bewegen, ich höre da gar nichts. Wir brauchen auf Bundesebene einen Integrationsbeauftragten.

STANDARD: Die ÖVP kritisiert die hohe Mindestsicherung in Wien. Soll sie gekürzt werden?

Meinl-Reisinger: Die ÖVP-geführten Länder schrauben die Mindestsicherung für Flüchtlinge hinunter und schicken damit alle nach Wien. Das ist unverantwortliche Politik. Dagegen hilft nur eine Wohnsitzauflage. Ich verstehe nicht, warum die ÖVP das blockiert. Die Mindestsicherung ist dringend reformbedürftig. Sie sollte in allen Bundesländern gleich hoch sein, und es sollte mehr Sachleistungen geben und jedenfalls eine Einschleifregelung. Soziale Systeme müssen fair der nächsten Generation gegenüber sein – also auch finanzierbar –, aber auch jenen gegenüber, die jeden Tag aufstehen und arbeiten. Sie müssen aber auch Anreize dafür bieten, wieder arbeiten zu gehen.

STANDARD: Ist die Mindestsicherung derzeit so hoch, dass es jenen gegenüber fair ist, die arbeiten gehen, wie Sie es ausdrücken?

Meinl-Reisinger: Viele Menschen erzählen mir, dass es nach ihrem Gefühl nicht mehr so ist. Ich habe mit einer Unternehmerin gesprochen, die ihre Angestellte über Kollektivvertrag bezahlt, und trotzdem ist es offensichtlich attraktiver, nicht zu arbeiten.

STANDARD: Sie sind also für eine Kürzung?

Meinl-Reisinger: Man muss schauen, was finanzierbar und fair ist. (Lisa Kogelnik, 13.10.2016)