Immer mehr Kinder in Österreich erleben pychische Gewalt wie emotionale Vernachlässigung.

Foto: apa

Wien – Dieser Tage vor 27 Jahren, am 20. November 1989, wurde die UN-Konvention über die Rechte des Kindes verabschiedet. Bis auf die USA haben alle Staaten die Kinderrechtskonvention unterzeichnet. Doch in Österreich ortet das Netzwerk Kinderrechte noch immer vier große Baustellen: Gewalt und Armut in Familien, mangelnde psychiatrische Versorgung und die prekäre Situation junger Flüchtlinge.

Laut Hedwig Wölfl vom Kinderschutzverein Möwe ist jedes zehnte Kind beziehungsweise jeder zehnte Jugendliche in Europa Opfer sexueller Gewalt. Immer mehr Heranwachsende sind zudem psychischer Gewalt wie emotionaler Vernachlässigung und der Gewalt Gleichaltriger ausgesetzt. Vor allem bei Jugendlichen gibt es hier einen Anstieg. Vor wenigen Tagen erst sorgte ein Video für landesweites Entsetzen, in dem zu sehen ist, wie eine Gruppe Jugendlicher eine 15-Jährige in Wien-Donaustadt krankenhausreif prügelt.

Neue Medien, neue Formen der Gewalt

Generell fördern neue Medien offenbar Gewalt an Kindern und Jugendlichen – beziehungsweise bringen sie neue Formen von Gewalt hervor: Phänomene wie Cybergrooming, wenn Erwachsenen oft unter dem Vorspiegeln falscher Tatsachen sexuelle Kontakte mit Heranwachsenden anbahnen, und Cybermobbing gab es früher nicht. "Es ist Aufgabe von uns Erwachsenen, allen Kindern und Jugendlichen umfassenden Schutz vor Gewalt und Vernachlässigung zu bieten", sagt Wölfl.

Viel mehr Kinderpsychiatrie wäre nötig

Der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch weist darauf hin, dass mehr als 120.000 junge Menschen in Österreich außerdem in manifester Armut leben. "Neben Schutz und Beteiligung ist die bestmögliche Entwicklung von Kindern ein zentrales Kinderrecht", ist er überzeugt. Daher seien existenzsichernde Einkommen, keine Deckelung der Mindestsicherung und mehr Bildungs- und Gesundheitsprogramme für Kinder und Jugendliche besonders wichtig, auch für jene, die mit ihren Familien in Österreich Asyl beantragt haben.

Die Kasse zahlt kaum

Christian Kienbacher von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie kritisiert, dass viel zu wenige Kinder und Jugendliche psychiatrisch versorgt werden – auch wenn sie es dringend bräuchten. Bei jedem zehnten Heranwachsenden sei eine umgehende kinder- und jugendpsychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung "unumgänglich".

Dazu komme, dass Psychotherapie, Ergotherapie und Logopädie in Österreich meist nur unzureichend von den Krankenkassen mitfinanziert werden. Die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen müsse flächendeckend ausgebaut und die Therapien durch die Krankenkasse voll finanziert werden, fordert der Experte.

Flüchtlinge ohne Ausbildungspflicht

Kritik am Umgang mit jungen Flüchtlingen in Österreich kommt von Eva Kern, Geschäftsführerin des Don-Bosco-Flüchtlingswerks: "Alleine heuer hat sich die Situation für junge Flüchtlinge massiv verschlechtert. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden von der Ausbildungspflicht bis 18 ausgeschlossen, der Familiennachzug verschärft, umstrittene Methoden der Altersfeststellung werden nach wie vor angewandt, und lange Aufenthalte in nicht altersgerechten Einrichtungen belasten Kinder und Jugendliche massiv." (APA, red, 16.11.2016)