Christian Kern mit Sohn Niko am Dienstagabend.

Foto: Christian Fischer/STANDARD

Wien – Das Ambiente straft das Klischee von der muffigen Parteisektion Lügen: Es ist kein Souterrainlokal im Gemeindebau, in dem sich die Genossen versammelt haben, sondern das Dachgeschoß des Ares Towers, eines Wiener Beinahewolkenkratzers. Das Alter des Publikums ist für SPÖ-Verhältnisse auffällig niedrig, die Anzugdichte hoch.

Trotz coolen Schicks erwartet den Stargast ein gewissermaßen familiäres Ambiente. Bundeskanzler Christian Kern ist der Einladung einer Initiative gefolgt, in der sich sein Sohn Niko federführend engagiert: Die auch für Nicht-SPÖ-Mitglieder offene "Sektion ohne Namen" bat den Parteichef um Rede und Antwort.

Kern, der Ältere, eröffnet mit Grundsätzlichem. Die Sozialdemokratie sei immer dann stark, wenn sie nicht nur Emanzipation und Gerechtigkeit als Ziele hochgehalten habe, sondern auch Modernisierung. Angesichts von Kräften wie der Digitalisierung aller Lebensbereiche, die sich zu ungeahntem Tempo beschleunigten, dürfe eine progressive Partei "nicht in Verzweiflung erstarren", mahnt er und nennt als Menetekel das Schicksal des Filmherstellers Kodak: 1998 habe die Firma einen Marktanteil von 85 Prozent gehabt – und fünf Jahre später zugesperrt.

Auch das Vorbild entlehnt er der amerikanischen Geschichte. Die einst utopisch erscheinende Mondlandung sei deshalb gelungen, weil sich alle Akteure dem Ziel verschrieben haben, statt in Kleinklein und lauen Kompromissen zu denken. Da sollten sich wohl Sozialpartner, ÖVP-Politiker und andere innenpolitische Protagonisten angesprochen fühlen.

Kleinunternehmer als "unsere Leut"

Widerspruch bietet das Auditorium erwartungsgemäß wenig, dafür die passenden Auflagen. Die SPÖ habe Unternehmer "sträflich vernachlässigt", meldet sich Ex-Staatssekretärin Christa Kranzl zu Wort, Kern nimmt den Ball dankbar an. "Die SPÖ als Vertreterin der Lohnabhängigen – das ist vorbei", sagt er: Klein- und Mittelunternehmer seien "unsere Leut", das sind "keine Gstopften".

Aber auch die Defensive beherrscht der Parteichef. Was tun mit jenen, die bei der Modernisierung nicht mitkönnen, fragt ein Gewerkschafter, brauche es für die ein bedingungsloses Grundeinkommen? Kern beantwortet die heikle Frage wortreich nicht.

Ansonsten viel "Plan A" im Schnelldurchlauf: Abgesehen von Gründeroffensive und Jobs sei die Bildungsreform "ein absolutes Schlüsselprojekt". Derzeit würden Bildungschancen weitervererbt und das unterste Drittel abgehängt: "Bei der Integration haben wir uns zu wenig angestrengt."

Mehr Offenheit verheißt Kern auch der eigenen Partei: Er wolle darüber diskutieren, dass die Parteimitglieder künftig über Koalitionsverträge abstimmen und den SPÖ-Chef direkt wählen können. (Gerald John, 24.1.2017)