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Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) möchte "Spaßdemos" verbieten. Seine Partei steht hinter ihm.

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Wien – Zunächst reagierte der Koalitionspartner verhalten auf Innenminister Wolfgang Sobotkas (ÖVP) Ideen zur Überarbeitung des Versammlungsrechts. Kanzleramtsminister Thomas Drozda wollte den Entwurf dazu abwarten, SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler hielt lediglich fest, welch hohes Gut das Versammlungsrecht sei.

Dem roten Justizsprecher Hannes Jarolim platzte am Freitag dann der Kragen: "Völlig inakzeptabel" seien Sobotkas Vorschläge. Der Innenminister sei "die Schwachstelle in der Regierung" und versuche mit "demokratiepolitisch höchst problematischen" Ankündigungen, "Wirbel zu schlagen, damit er in der Zeitung steht". "Es ist für mich klar, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung immer über Geschäftsinteressen zu stehen hat", sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) schließlich am Freitag nach dem EU-Gipfel in Valletta.

Haftender Versammlungsleiter

Sobotka hatte am Donnerstag über die Tageszeitung "Presse" seinem Willen zur Überarbeitung des Demonstrationsrechts Ausdruck verliehen: Künftig solle ein "Versammlungsleiter" für Sachbeschädigungen durch Demonstranten haften müssen. Scheint kein solcher Versammlungsleiter auf, würde der Behördenvertreter feststellen, wer die Demonstration leitet.

Außerdem soll die Regierung beziehungsweise der Innenminister per Verordnung ein Demonstrationsverbot erlassen können, wenn berechtigte Interessen verletzt würden – etwa weil Geschäfte wirtschaftliche Einbußen befürchten müssen oder massive Verkehrsbehinderungen drohen.

"Spaßdemos" seien zu untersagen, für Gegendemonstrationen ein Mindestabstand von 150 Metern festzulegen und die Frist zur Anmeldung von Kundgebungen von 24 auf 72 Stunden zuerhöhen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf will Sobotka der SPÖ Anfang kommender Woche vorlegen.

Glawischnig: "Eingriff ins Grundrecht"

Grünen-Chefin Eva Glawischnig kritisiert die Pläne von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) zur Verschärfung des Demonstrationsrechts scharf. Seine Vorschläge seien ein "tiefer Eingriff" ins Grundrecht, das Versammlungsrecht, und verfassungsrechtlich "höchst bedenklich", erklärte sie am Samstag in der Ö1-Sendung "Journal zu Gast".

Glawischnig hält auch nichts von der angedachten Haftung für Versammlungsleiter. Würde man dieses Prinzip etwa auf Innenminister Sobotka anwenden, könnte er für alles was im Rahmen von Polizeitätigkeiten passiert, haftbar gemacht werden, meinte sie: "Das ist wirklich nicht zielführend." Die Vorschläge gingen "viel zu weit" und werden daher abgelehnt. Sie erwartet im Parlament dazu Widerstand, auch von SPÖ-Abgeordneten. Die Grünen-Chefin kann sich außerdem nicht vorstellen, dass etwaige Geschäftsinteressen vor die Versammlungsfreiheit gestellt werden. Auch soll "nicht nach Geschmack" beurteilt werden, bei welchen Aktionen es sich um eine "Spaßdemo" handelt oder nicht. Sobotka solle sich hingegen "um relevante Dinge kümmern" und die Öffentlichkeit nicht mit seinen Vorschlägen verunsichern, forderte Glawischnig.

Nach heftiger Kritik auch von den Neos, sowie Organisationen wie Amnesty International Österreich, Greenpeace und SOS Mitmensch und nachdem Verfassungsjuristen starke Bedenken formuliert hatten, versuchte Sobotka am Freitag zu kalmieren: Sein Vorschlag werde "selbstverständlich verfassungskonform und entsprechend der Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention" vorgelegt, hieß es in einer Aussendung. Bei der besonders umstrittenen Forderung nach Haftung des "Veranstaltungsleiters" für Schäden stellte Sobotka klar, dass diese nur schlagend werden soll, wenn sich dieser selbst rechtswidrig verhält.

"Verfassungswidrigkeiten"

Der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk sieht in Sobotkas Vorschlag "die Gefahr weitreichender Verfassungswidrigkeiten". So seien zwar bei der Genehmigung von Veranstaltungen die Interessen der Wirtschaftstreibenden zu berücksichtigen, deshalb aber ganze Zonen zu Geschäftszeiten für grundsätzlich demofrei zu erklären, hielte Funk für "nicht verfassungskonform". Hier sei im Einzelfall zu prüfen. "Massive Bedenken" hat Funk auch in Bezug auf das Verbot von "Spaßdemos": "Wer legt fest, welche Demo keine Berechtigung oder Bedeutung hat?", gibt Funk zu bedenken.

Unterstützung erhielt Sobotka von FPÖ und Team Stronach sowie dem ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner und der schwarzen Parteijugend: "Man muss sich den Gesetzestext genau anschauen, wenn er ausgearbeitet wurde, aber wir sehen das auf jeden Fall positiv", sagte Dominik Schrott, Bundesobmann-Stellvertreter der Jungen Volkspartei (JVP) dem STANDARD.

Rund hundert Sperren 2016

"Spaßdemos" würden inzwischen überhandnehmen, so Schrott: "Das kann man dem Handel nicht zumuten. Diese Belästigung oder gar Sachbeschädigungen sind einfach ein wirtschaftliches Problem." Auch die Wirtschaftskammer äußerte sich pro Demozonen: Im Vorjahr soll es rund hundert Sperren von Ring oder innerer Mariahilfer Straße gegeben haben – was die Handelstreibenden verärgert. (Oscar Böhm, Katharina Mittelstaedt, Gudrun Springer, APA, 3./4.2.2017)