Gewalt lässt Heranwachsende ein gegenwartsorientiertes Verhalten entwickeln, das zulasten von zukunftsorientierten Bildungszielen gehe, glauben die Forscherinnen und Forscher.

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Eine "harte Erziehung" führt nicht etwa zu besonders guten schulischen Leistungen – sondern vielfach zum Gegenteil. Bis hin zum totalen Schulversagen. Das zeigt nun eine Langzeituntersuchung der Universität Pittsburgh mit 1.060 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Der Grund: Erleben die Heranwachsenden zu Hause Gewalt, entwickeln sie ein gegenwartsorientiertes Verhalten, das zulasten von zukunftsorientierten Bildungszielen gehe, so Studienleiterin Rochelle Hentges.

Mit harter Hand erzogene Heranwachsende würden sich zudem stärker an Freunden orientieren als an ihren Eltern, so die Forscherinnen und Forscher im Fachmagazin "Child Development". Hentges: "Jugendliche, deren Bedürfnisse nicht durch die Eltern als primäre Bezugspersonen erfüllt werden, können Bestätigung bei Gleichaltrigen suchen." Die Heranwachsenden bekommen Bestätigung und Anerkennung durch die Peer Group aber nicht aufgrund guter Noten und Bildungserfolg – sondern eher dann, wenn sie Regeln brechen, früh sexuell aktiv sind und sich generell risikoaffin verhalten.

Anerkennung durch Regelbruch

So gaben jene Kinder, die zu Hause regelmäßig angeschrien, geschlagen und mit verbalen oder körperlichen Strafen bedroht werden, an, dass sie mehr Zeit mit ihren Freunden verbringen, statt Hausaufgaben zu machen oder zu lernen. Das Team um Hentges stellte fest, dass jene Kinder, die in der siebenten Klasse sehr streng und aggressiv erzogen wurden, zwei Jahre später Gleichaltrige und Freunde oft als wichtiger ansahen als etwa das Befolgen elterlicher Regeln. Dies wiederum führe zu einem riskanteren Verhalten in den folgenden Jahren.

Elterliche Strenge und Gewalt zeigt bei Mädchen und Buben unterschiedliche Folgen: So zeigen sich laut Studie die Mädchen früher sexuell aktiv, während die Buben häufiger kriminell werden als gewaltfrei erzogene Gleichaltrige. Vor allem dieses Verhalten der Burschen beeinträchtige den schulischen Erfolg und führe zu höheren Abbruchraten in High School oder College.

Hentges und ihr Twam hoffen deshalb, dass ihre Ergebnisse zu Präventionsprogrammen führen. "Da insbesondere Kinder, die einer harten oder aggressiven Erziehung ausgesetzt sind, Bildungsziele häufig verfehlen, sollten sie zum Ziel passender Interventionen werden."

Ohrfeigen auch hierzulande gang und gäbe

Den Erziehungswissenschafter Holger Ziegler von der Universität Bielefeld überraschen die gefundenen Zusammenhänge nicht. Die aktuelle Studie bestätige klar, "dass sich Beschimpfungen und Körperstrafen nicht gedeihlich auf die Entwicklung junger Menschen auswirken". Der nicht an der aktuellen Analyse beteiligte Erziehungswissenschafter hatte 2013 mit einer Studie gezeigt, dass Gewalt für viele Heranwachsende in Deutschland noch immer Alltag ist. Fast ein Viertel der Kinder und Jugendlichen wird demnach von Erwachsenen oft oder manchmal geschlagen. Auch zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher finden Ohrfeigen als Erziehungsmaßnahme in Ordnung – das zeigte zuletzt eine Umfrage Ende 2016. (APA, lima, 8.2.2017)