Bundeskanzler Christian Kern (rechts) ist unglücklich darüber, dass Wolfgang Brandstetter (Mitte) und nicht der designierte ÖVP-Obmann Sebastian Kurz den Posten des Vizekanzlers übernommen hat. Deshalb will die SPÖ nun nur noch auf parlamentarischer Ebene mit der ÖVP arbeiten.

Foto: Christian Fischer

Wien – Sehr viel zu sagen haben sich die Koalitionsparteien nicht mehr. Nachdem die ÖVP die Zusammenarbeit beendet habe und der designierte ÖVP-Chef Sebastian Kurz nicht als Vizekanzler Verantwortung übernehme, so die rote Argumentationslinie, können gemeinsame Projekte bloß noch im Parlament besprochen und umgesetzt werden.

Eine Ausnahme scheint es zu geben: Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zeigte sich Montagabend optimistisch, im am Dienstag stattfindenden Ministerrat die letzten Hürden für den seit einiger Zeit in der Luft hängenden Beschäftigungsbonus zur Seite räumen zu können. Kurz ließ ausrichten, dass er fertig verhandelte Punkte umsetzen wolle.

Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) würde generell letzte gemeinsame Vorhaben lieber auf Ministerebene akkordieren, zeigt sich aber auch offen für rot-schwarze Parlamentsbeschlüsse. Es stellt sich also die Frage: Was könnte die angezählte Regierung in den kommenden Wochen sonst noch umsetzen?

Zahlreiche Punkte offen

Fest steht: Es gibt ein buntes Sammelsurium an Maßnahmen, bei denen SPÖ und ÖVP zumindest oberflächlich längst übereingekommen sind – auch durch das erst im Jänner beschlossene neue Koalitionsprogramm. Brandstetter drängt nun vor allem auf die Umsetzung eines Sicherheitspakets. "An uns liegt es sicher nicht, dass derzeit nichts weitergeht", sagt SP-Justizsprecher Hannes Jarolim im STANDARD-Gespräch.

"Die ÖVP müsste uns nur endlich ihre Eckpunkte vorlegen." Derzeit würde nämlich "viel geredet", konkret blieben dann aber hauptsächlich "Luftblasen" übrig.

Sicherheitspolizeigesetz Ein grober Plan einer Reform des Sicherheitspolizeigesetzes wird bereits im Arbeitsprogramm der Regierung skizziert. Es geht unter anderem darum, dass ÖBB, Asfinag und Flughäfen der Polizei in gewissen Ernstfällen ihr Videomaterial unverzüglich zur Verfügung stellen müssen, und um eine Autokennzeichenerfassung an der Grenze. "Im Grunde trägt die SPÖ die Maßnahmen mit, wir standen kurz vor dem legistischen Abschluss, aber es geht noch um die Details", sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Fremdenrechtspaket Ein von Rot und Schwarz abgestimmter Gesetzesentwurf des Fremdenrechtspakets liegt derzeit bereits im Parlament. Er enthält etwa höhere Strafen für Flüchtlinge, die das Land trotz negativen Bescheids nicht verlassen, und ermöglicht Schubhaft bis zu 18 Monate in Serie. Zudem sollen bei kriminell gewordenen anerkannten Flüchtlingen die Verfahren zur Aberkennung ihres Asylstatus beschleunigt werden.

Reform der Strafprozessordnung Hier geht es der ÖVP vor allem um die Ausweitung der Überwachung von Kommunikation im Internet – allen voran von Diensten wie Whatsapp und Skype, über die auch telefoniert werden kann. Die SPÖ legt sich diesbezüglich grundsätzlich nicht quer. Laut ÖVP liege dem Noch-Koalitionspartner seit März ein Gesetzesentwurf vor. Darin gehe es auch um eine Nachfolgeregelung für die frühere Vorratsdatenspeicherung.

Forschungsmilliarde Mit ziemlicher Sicherheit sollte noch vor der Wahl die im Regierungsprogramm vereinbarte "Forschungsmilliarde" durchs Parlament gehen. Ein entsprechender Ministerratsbeschluss war eigentlich für April geplant gewesen. Nachdem zahlreiche Wissenschafter am Montag die Politik dazu aufgerufen hatten, Forschungsmilliarde und Universitätsfinanzierung "nicht dem Wahlkampf zu opfern", haben sich SPÖ wie auch ÖVP noch einmal dazu bekannt: "Politisches Taktieren hat bei diesen Themen keinen Platz", erklärte Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ). Auch Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) drängte auf einen "zügigen Beschluss". (Katharina Mittelstaedt, 29.5.2017)