Hilde Sochor im Jahr 2007.

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Wien – Hilde Sochor begann ihre Karriere in einer Zeit, als Schauspieler noch nicht tageweise von einer Stadt in die andere geflogen sind, um renommeebehafteten Engagements nachzugehen. Die gebürtige Wienerin, Tochter eines Tierarztes aus Breitensee, blieb 65 Jahre lang dem Wiener Volkstheater treu. Nicht zuletzt auch, weil ihr späterer Ehemann, Gustav Manker, an diesem Theater lange Jahre Direktor war. In vielen Dutzend seiner Inszenierungen (es sollen 74 gewesen sein) hat Hilde Sochor sich ihr Profil als Volksschauspielerin erspielt – neben Wedekind, Horváth oder Shakespeare insbesondere in Nestroy-Stücken und Komödien.

Ihre erste Rolle an der heutigen Adresse Arthur-Schnitzler-Platz 1 erhielt sie 1948 in Ludwig Anzengrubers "Der Pfarrer von Kirchfeld", unmittelbar nach der Promotion in Theaterwissenschaft. Die Großmutter des fünfköpfigen Frauenhaushalts aus Sochors Kindheit bezahlte das Studium, parallel dazu absolvierte Sochor eine Schauspielausbildung.

Hilde Sochor im Jahr 1995 zu Gast in "Phettbergs Nette Leit Show".
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Nach einem kurzen Zwischenspiel bei Gustaf Gründgens in Düsseldorf startete die Mimin und dreifache Mutter (darunter Schauspieler und Regisseur Paulus Manker), die sich ihre Resolutheit in einem damals männerdominierten Metier erst erarbeiten musste, am Volkstheater durch. Einer ihrer Ermutiger war übrigens Karl Farkas. Damals befand sich das noch kriegsversehrte Haus in einer Aufbruchstimmung, die in der heute legendären "Blockadebrecher"-Premiere gipfelte, der ersten Brecht-Aufführung nach dem verhängten Boykott. In betreffender "Mutter Courage" spielte Sochor die Kriegsprostituierte Yvette, Jahrzehnte später dann die Titelrolle.

Persönlichkeit sei das Entscheidende im Schauspielberuf, befand Sochor des Öfteren in Interviews. Ihren eigenen herben Charme und ihre Akkuratesse hat Hilde Sochor den literarischen Figuren auf der Bühne scheinbar leichthändig anverwandelt. Sie war kokett und ulkig, aber auch bissig und unerschrocken, sie verkörperte wehrhafte Frauen mit Kontur, weniger die großen Damen. "Ich bin keine Maria Stuart", gestand sie selbstbewusst und klarsichtig ein.

Als Volksschauspielerin bewies sie Facettenreichtum, der immer mit Abgründigem einherging; da reicht der Bogen von den Fernsehstegreifspielen aus der Anfangszeit des ORF ("Familie Leitner") bis zum Sprachvirtuosen Werner Schwab, mit dessen Stück "Seele brennt!" Sochor noch 2003, fast 80-jährig, im Rabenhoftheater einen Hit landete. Nun ist Hilde Sochor im Alter von 93 Jahren gestorben. (Margarete Affenzeller, 2.6.2017)