Auf dem Taubenmarkt im Herzen Sarajevos – bei den Verschleierten handelt es sich um Touristinnen aus Golfstaaten.

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Die Islamische Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina hat auf das Interview von Außenminister Sebastian Kurz im Handelsblatt reagiert, in dem Kurz meinte, in Sarajevo und in Prishtina würden Frauen dafür bezahlt werden, vollverschleiert hinauszugehen, um das Straßenbild zu ändern. Sie wies das Statement von Kurz als "unangemessen" zurück und betonte, dass man von solchen Fällen keine Kenntnis habe.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft ordnete die Aussagen von Kurz als Wahlkampfrhetorik in Österreich ein und meinte, dass es "das Beste sei, Glauben und religiöse Gefühle nicht in die politische Arena zu ziehen".

Keinerlei solche Informationen

Auch der bosnische Sicherheitsminister Dragan Mektić verwies darauf, dass er niemals Berichte darüber bekommen habe, dass Frauen für Verschleierung bezahlt würden. "Ich habe keine solche Information. Ich habe mit unseren Sicherheitsdiensten gesprochen und die haben auch keinerlei solche Information. Ich habe keine Ahnung, worauf diese sich gründet", sagte er dem TV-Sender N1. Mektić meinte, er werde die österreichischen Sicherheitsdienste kontaktieren, um herauszufinden, woher diese Berichte kämen.

Tatsächlich handelt es sich um einen uralten Hut. Seit 25 Jahren kursieren Geschichten über die Bezahlung fürs Vollverschleiern in Bosnien-Herzegowina. Solche "Angebote" sollen vor allem von ausländischen NGOs kommen. Ob es tatsächlich Frauen gibt, die die "Angebote" annehmen, ist nicht belegt. Wenn dies der Fall wäre, würde es sich um Einzelfälle handeln.

Verschleierte Touristinnen

Tatsache ist hingegen: Gerade in Sarajevo gehen zurzeit massenhaft vollverschleierte Frauen herum. Es handelt sich aber fast ausnahmslos um Touristinnen vom Golf. Die Besucherinnen aus Dubai, Kuwait oder Saudi-Arabien kommen seit zwei, drei Jahren zunehmend in den Balkanstaat, weil sie die grünen Berge und vor allem die Flüsse lieben.

Die Bosnier regen sich Tag für Tag über die vollverschleierten Araberinnen auf. In Bosnien-Herzegowina gibt es über 60 salafistische Gemeinschaften. Die Frauen, die zu diesen Gruppen gehören, verschleiern sich oft auch zur Gänze – aber deshalb, weil sie dieser extremen Richtung angehören.

Außenministerium: Keine konkreten Fälle

Das Außenministerium antwortete auf die Bitte des STANDARD, konkrete Fälle von Bezahlung für Vollverschleierung zu nennen: "Bundesminister Sebastian Kurz hat bei seinen diversen Besuchen in Hauptstädten des westlichen Balkans in den letzten Jahren das Phänomen der zunehmenden Radikalisierung und der Vollverschleierung von verschiedenen Gesprächspartnern mehrfach dargestellt bekommen." Konkrete Fälle nennt das Außenamt nicht. Man beruft sich darauf, dass "allgemein" über solche Phänomene gesprochen werde.

Ein echtes Problem ist, dass bosnische Salafisten für Touristen vom Golf als Reiseführer arbeiten und damit viel Geld machen. Mit einem wachsenden Einfluss Saudi-Arabiens hat das aber nichts zu tun. Auch die Geschäfte halten sich in Grenzen. Im Vorjahr lag Saudi-Arabien mit 17,1 Millionen Euro an achter Stelle der Auslandsinvestoren in Bosnien.

Keinerlei Beweis

Im Kosovo – wo vollverschleierte Frauen äußerst selten im Straßenbild zu sehen sind – meldete sich der Vizedekan der Fakultät für Islamische Studien Besa Ismaili zu Wort. Gegenüber dem Onlinemedium Balkaninsight meinte Ismaili, dass es keinerlei Beweis dafür gäbe, dass Frauen im Kosovo für das Tragen eines Schleiers bezahlt würden. Er bezeichnete die Behauptung von Kurz als "verletzend" und sprach von islamophoben Kampagnen, die von der europäischen Rechten kommen würden. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 24.8.2017)